Die Länder des Südens
Michael Guggenheimer
Ich war noch nie in Schwarzafrika. Und auch Asien kenn’ ich nicht wirklich. Dabei interessieren mich Eritrea, Äthiopien, der Iran und die Türkei, weil ich Menschen aus diesen Ländern kenne, Flüchtlinge, die in der Schweiz leben. Von ihnen habe ich vieles über ihre Heimaten erfahren. Ich habe Bücher über diese Länder gekauft. Mein Augenmerk bei der Lektüre der Auslandsteile meiner Zeitungen gilt diesen Ländern. Und wenn ich noch mehr über die Entwicklung im Iran, in Eritrea oder in der Türkei erfahren möchte? Dafür gibt es InfoDoc bei AllianceSud in Bern.
In einem Ladenlokal, bloss zwei Strassenbahnhaltestellen vom Berner Hauptbahnhof entfernt, befindet sich der Dokumentationsdienst InfoDoc. Von der Strasse her gesehen eindeutig eine Bibliothek. Der Bestand an Büchern zu den Ländern des Südens allerdings ist nicht beeindruckend. Mag sein, dass die Bücher hier vornehmlich für ein erstes Kennenlernen eines Landes genügen müssen. Dass die Fr. 5000.- , die für die jährliche Anschaffung von Büchern zur Verfügung stehen, nicht ausgeschöpft werden, deutet darauf hin, dass Büchern hier nicht die wichtigste Rolle bei der Informationsarbeit zugeschrieben wird. Auch fällt auf, dass Neuerscheinungen in englischer Sprache nicht an vorderster Stelle bei der Anschaffungstätigkeit stehen. Die Bibliothek bei InfoDoc wirkt im Bereich der Bücher eher als eine Einsteigebibliothek.
Kerngeschäft und Schatzkammer von InfoDoc sind aktuelle Informationen zu den Ländern des Südens aus Zeitungen und Zeitschriften, sind die Länderdossiers in einem rückwärtigen Raum, der von der Strasse her nicht zu sehen ist. Hier wird eine ausserordentlich breite Palette von entwicklungshilfe-relevanten Themen verfolgt. Hier gibt es gezielt ausgewählte Informationen über alle Länder des Südens. Tag für Tag werden hier sowie in der Westschweizer Geschäftsstelle von InfoDoc in Lausanne Schweizer Zeitungen auf Hintergrundartikel und Berichte hin gelesen und ausgewertet. Dabei interessieren sich die Dokumentalisten von InfoDoc nicht nur generell für die Länder des Südens, deren Entwicklung sie beobachten: Ein Rastersystem mit 25 Suchkriterien oder Sachgebieten wie Bildung / Erziehung, Gesundheit / Medizin, Migration / Flucht, Transport / Verkehr wird bei der Bearbeitung der Zeitungstexte verfolgt, wobei hier die gefundenen Informationen ihrerseits nach 500 Subthemen eingeordnet werden. Eine systematische Suche im Netz bei Twitter sorgt für das Auffinden weiterer Informationen in ausländischen Medien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, den Financial Times, The Guardian oder Le Monde und The Economist. Zu jedem Land gehört auch ein Dossier, in dem die Beziehungen zur Schweiz vermerkt werden.
Die so elektronisch gewonnenen und ausgedruckten Informationen stehen den Besuchern von InfoDoc zur Verfügung, wobei Besuche nicht nur physische Besuche sein müssen, denn InfoDoc bedient auch Interessenten, die sich telefonisch oder per Mail an die Dokumentationsstelle wenden. Mehrere im Netz abrufbare E-Dossiers bündeln elektronisch verfügbare Quellen zu ausgewählten Themen. Zahlreiche Multimediainformationen, die nicht primär ländergebunden sind und aus den Bereichen Energie, Entwicklung, Gesellschaft, Kultur, Landwirtschaft, Migration, Politik, Rohstoff, Umwelt und Wirtschaft stammen, können direkt im Netz konsultiert werden. In diesem Sinne bietet InfoDoc eine Menge von breiten Informationen zur Entwicklungspolitik. Breit ist auch die Auswahl von Zeitschriften zu Entwicklungssthemen, die InfoDoc seinen Benützern zur Verfügung steht. GLOBAL+ heisst die viermal im Jahr erscheinende Zeitschrift von AllianceSud. Wunderbar die Dienstleistung „Auftragsrecherche“ von InfoDoc: Mit einem im Netz abrufbaren Formular kann man die Informationsstelle mit einer Frage konfrontieren und erhält innerhalb kurzer Zeit Unterlagen zum Fragethema.
InfoDoc ist ein Teilbereich von AllianceSud. Und AllianceSud ist eine Institution der Entwicklungshilfeorganisationen Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks. Befragt, wer denn Informationen bei InfoDoc sucht, antwortet Mitarbeiterin Emanuela Tognola, es seien häufig Gymnasiasten und Studenten, immer wieder auch Mitarbeiter der Hilfswerke im Bereich der Entwicklungshilfe, eher selten Journalisten. Jedermann stehe die Dokumentationsstelle zur Verfügung, wobei bis zu dreissig Dokumente pro Anfrage gerne auch kostenfrei verschickt würden. „Jeder hat das Anrecht auf Versorgung mit entwicklungshilfe-relevanten Dokumentationen“, meint Dokumentalistin Tognola. Hier gehe es um die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Länder des Südens.
Ich habe die Probe aufs Exempel gemacht und per Netzformular Informationen zu den Themen Menschenrechte und Meinungsfreiheit im Iran bestellt. Bereits zwei Tage nach meiner Bestellung lag ein grosser Briefumschlag im Briefkasten mit Fotokopien von Zeitungstexten zu den beiden Themen: 5 Artikel aus der Neuen Zürcher Zeitung, ein Text aus der Wochenzeitung WOZ, einer aus der Neuen Luzerner Zeitung, einer aus dem deutschen Dienst heise.de und ein weiterer von Human Rights Watch. Angesichts der durchforsteten Zeitungstitel etwas eingeschränkt in den Quellen, fand ich. Ich gebe zu: Informationen aus Le Monde und The Economist hätte ich gerne auch noch gesehen. Bei meiner eigenen Suche im Netz unter dem englischen Begriff „Human Rights Iran“ bin ich sehr fündig geworden: In englischer Sprache ist die Quellenlage sehr reich, weitaus breiter und tiefer als die mir per Post und per Mail zugstellten Informationen. Weil der Postsendung noch zwei Zeitschriften mit Dossiers zum Thema beilagen, hat InfoDoc im Wettbewerb dann doch gut abgeschnitten. Mein Fazit zum Thema „Auftragsrecherche“ lautet dennoch: „Prädikat wertvoll und verbesserungsfähig“.
AllianceSud InfoDoc
Montbijoustrasse 29
3011 Bern
T: 031 390 93 37
www.alliancesud.ch/de/infodoc
Eingrenzen ist alles
Heinz Egger
Sie interessieren sich für Themen der Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit? Dann machen Sie es wie Marcel. Er hat für seine Maturarbeit das Thema „Sudan, Flüchtlingsdrama und Zusammenarbeit Schweiz Sudan“ gewählt. Nun, das ist ein weites Feld. Und wo findet er die nötigen Grundlagen?
Zum Glück gibt es in Bern an der Montbijoustrasse 29 die Dokumentationsstelle von Alliance Sud. Diese Dokumentationsstelle trägt im Auftrag der Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks zusammen, was in den Tages- und Wochenzeitungen der Deutschschweiz und einiger englischer Publikationen zu Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik erscheint. Auch was online publiziert wird, wird gesammelt. So gibt es RSS-Abonnemente und gezielt werden auch Twitterstichworte verfolgt. Da die DEZA, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, keine öffentliche Bibliothek und Informationssamlung mehr führt, erhält InfoDoc einen Bundesbeitrag für ihre Arbeit.
Natürlich pflegt InfoDoc eine umfangreiche Website (www.alliancesud.ch/de/infodoc). Dies ist auch Marcels erster Kontakt mit der InfoDoc. Der umfangreiche Katalog ist schon auf der Startseite verfügbar. Er stöbert darin. Er versucht es mit verschiedenen Suchwörtern und Kombinationen davon. Es sind sehr viele Informationen, die er findet. Aber welche sind die richtigen für seine Arbeit? Da gibt es unzählige Zeitungsausschnitte und viele Bücher, zum Teil älteren Datums. Eines, das sich mit unterdrückten Minderheiten, beispielsweise im Sudan, befasst, stammt aus 1975. Unter Themen findet er 25 entwicklungsrelevante Sachgebiete mit rund 500 Subthemen.
Da InfoDoc öffentlich ist, entschliesst sich Marcel, nach Bern zu reisen und die Stelle zu besuchen. Dort empfängt ihn Frau Tognola. Sie besitzt grosse Erfahrung in der Dokumentation. Sie kennt den Bestand wie ihre Handtasche. Und das ist wie ein Geschenk für Marcel. Frau Tognola führt in gewissenhaft ins Angebot ein. Sie tut das gern und mit Engagement. Ziel der Dokumentationsstelle ist es ja, die Informationen unter die Leute zu bringen.
InfoDoc ist in einem ehemaligen Ladenlokal eingenistet. Im kleinen Schaufenster hängen die neuesten Zeitschriften, z. B. Südwind, Rural21, Südlink oder iz3w, an metallenen Leisten. Zur Linken im Eingangsraum steht ein kleiner Tisch mit einem PC. Das ist die öffentliche Recherchestation. Rechts hinten im hellen Raum steht ein Tisch auf Rollen. Er bietet vier Leuten Platz zum Arbeiten. An den Wänden stehen Büchergestelle. Die Bücher tragen alle Signaturen und sind ausleihbar. Es ist vorwiegend einführende Literatur. Die Ordnung ist übersichtlich: Farbige Steller in den Gestellen der rechten Seite tragen Abkürzungen wie EU für Europa, AS für Asien, AM für Lateinamerika, AF für Afrika. Der letztgenannte Steller ist feuerrot.
Auf der gegenüberliegenden Seite sind die Bücher nicht geografisch, sondern nach Themen zusammengestellt. Steller mit Buchstaben auf weissem Grund geben Auskunft übers Thema. A steht für Nachschlagewerke, B für Aussenpolitik, C für Entwicklungspolitik. Die Gliederungsliste ist auf Papier vorhanden – oder auf dem Internet einsehbar.
Durch einen schmalen Gang, in dem ebenfalls ausleihbare Bücher stehen, kommt man ins Reich der Mitarbeitenden. Dort stehen in hohen Gestellen in teilweise sehr bauchigen Hängeregistraturmappen die Artikel, die das Team jeden Tag aus den Tageszeitungen sammelt. Es ist sehr viel Material vorhanden. Es ist nach Themen geordnet. Dieser Bereich ist nicht öffentlich und das Material kann nicht ausgeliehen, aber nach Wunsch am Arbeitstisch gesichtet werden.
Auf der linken Seite des Raums stehen die Archivschachteln mit den Zeitschriften. Diese Zeitschriften sind im Katalog aufgeführt und sind ebenfalls ausleihbar, ausgenommen die neueste Ausgabe.
Marcel sieht, dass er hier das Material finden kann. Es ist sehr viel vorhanden. Aber er muss zuerst sein Thema genauer fassen, dann die Stichwörter des Katalogs durchforsten und sehen, welche für seine Arbeit am ehesten Früchte bringen werden. Und dann ist er wohl wieder auf die Hilfe des InfoDoc-Teams angewiesen. Er wird einen Rechercheauftrag formulieren müssen. Das kann er online tun. Wenn er im Formular bei den Sprachen Französisch anklickt, dann wird seine Recherche auch auf den Bestand der InfoDoc-Stelle in Lausanne ausgedehnt. In Lausanne werden französische und englische Quellen gesammelt. Auch wenn das etwas kosten wird, Marcel wird Sachbücher und Zeitschriften, Fotokopien aus dem Bestand und Hinweise auf geeignete Webseiten erhalten. Und er weiss, dass er jederzeit kostenlose Unterstützung erhalten wird, wenn er in der Dokumentationsstelle einen Aspekt seiner Arbeit weiter vertiefen möchte.
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