Afrikanisches am Platz
Michael Guggenheimer
Der Laden ist schmal. Das Bücherangebot ist breit. Und man merkt es sofort: Hier ist ein wahrer Liebhaber und Kenner der Literatur am Werk. Buchtitel von heute und eine Bedienung von einer Qualität, wie man sie früher kannte. Ja, es gibt sie noch, die Buchhändler, die genau zuhören, den Kundenwunsch aufnehmen und sich auf die Suche nach Titeln machen, die den Kunden auch noch interessieren könnten. Die Rede ist von der Buchhandlung Buch am Platz in Winterthur. Nebenan befindet sich das Gewerbemuseum mit seinen schönen Ausstellungen zu Designfragen. Und am selben Platz liegt auch die moderne Stadtbibliothek. Wenn man im Laden ist und hinausblickt, sieht man das Museum mit seinem kleinen ‚Grand Café’ und die Bibliothek. Ein schöner, weiter Platz, wo man sich im Sommer auf einer Bank hinsetzen und sich in die Handlung eines Romans begeben könnte.
Doch alles der Reihe nach. Tobias Tanner, Leiter von Buch am Platz, steht an zwei Tagen in der Woche Dorothée von Walzel zur Seite. Die Buchhandlung gehört einer Genossenschaft, die vor über dreissig Jahren gegründet wurde. Was seinerzeit mit ehrenamtlich tätigen Mitarbeitenden eines Ladenkollektivs und unter dem Namen atropa begann, hat eine Dimension angenommen, die heute professionelles Personal erfordert. Tanners Stationen auf dem Weg an den Kirchplatz in Winterthur sind ausgesucht gute Buchhandlungen: Die Ausbildung bei Bodmer in Zürich, ein Halt in der früheren Reisebuchhandlung Barth an der Bahnhofstrasse in Zürich und dann zwei Teilzeitstellen zur selben Zeit: Caligramme mit der legendären Helen Lehmann in der Zürcher Altstadt und an der Seite von Bücherkenner Sascha Klauser bei Bücher Barth unter dem Zürcher Bahnhofplatz.
Die intensive Beschäftigung mit und die Liebe zur Literatur merkt, wer sich bei Buch am Platz umschaut: Hier sind die Regale nicht angeschrieben, man entdeckt leicht, die Sparten Schweizer Literatur, Belletristik, das politische Buch, die Kochbücher, die Wand mit den Krimis und die Ecke mit den Kinderbüchern. Und man kommt nicht aus dem Staunen heraus bei einem Gestell, in dem man lauter Bücher von Autoren entdeckt, deren Namen man nie zuvor gesehen hat. Es sind Namen, bei denen man nicht immer weiss, wie man sie korrekt aussprechen soll: Alain Mabanckou, Sabahattin Ali, Ryad Assani-Rataki. Namen von zeitgenössischen afrikanischen Autoren. Shuko Fatah, Yejide Kilanko, Ellen Banda-Aaku, Bücher in deutscher Sprache und in Französisch, wie sie so zahlreich nur selten beisammen in der Deutschschweiz in einer Buchhandlung zu finden sind.
Wie kommt Buchhändler Tobias Tanner zu einer Auswahl von Autoren aus Afrika? Dahinter stehen nicht etwa ausgedehnte Afrikareisen. Seit 25 Jahren findet in Winterthur jeweils an Pfingsten das Festival „Afro Pfingsten“ statt mit Musik aus Afrika und Debatten zur Lage in Afrika. Das Ziel des Festivals ist es : Der Schweizer Bevölkerung den afrikanischen Kontinent und seine vielfältigen Kulturen näher zu bringen. In der Schweiz existiert keine vergleichbare Kombination von Kulturfestival mit Konzerten, Märkten, Filmvorführungen und Ausstellungen. Erstmals im Jahr 1990 als kleiner Anlass durchgeführt, findet das Festival heute Beachtung über die Landesgrenzen hinaus und geniesst grosses Ansehen als wichtiger interkultureller Treffpunkt. 2014 wurde das Afro-Pfingsten Festival vom renommierten Magazin «Songlines» als eines der besten World-Music-Festivals in Europa ausgezeichnet. Während des Festivals, an dem in den letzten Jahren bis zu 60 000 Besucher teilnahmen, weitet Tobias Tanner seine Buchhandlung aus und verkauft Bücher zu Afrika und von afrikanischen Autoren an einem Stand vor dem Laden. Und weil sich herumgesprochen hat, dass Buch am Platz Büchern afrikanischer Autoren Platz gewährt, bleiben die nicht verkauften Titel im Laden und werden jeweils vor Pfingsten durch Neuerscheinungen ergänzt.
In den Statuten der Genossenschaft, der die Buchhandlung gehört, wurde 1983 festgehalten, dass Zweck des Ladens «die Verbreitung gesellschaftskritischer Literatur» ist. Da weht noch etwas vom 68-er Geist in die heutige Zeit. In einem Gestell ist diese Literatur noch zu erkennen, auch wenn man heute mit Recht behaupten kann, dass ausgesuchte Belletristik eher im Vordergrund der angebotenen Bücher steht. Befragt, nach welchen Kriterien er Bücher einkauft, gibt Tobias Tanner zu Antwort: „Ich wähle aus, was mir gefällt. Ich biete das an, von dem ich finde, die Leute sollen es lesen“. Und auf der Homepage der Buchhandlung ergänzt er: „Wer Gedichte liebt und speziell Emily Dickinson: im Hanser Verlag erschienen ihre „Sämtliche Gedichte“ in einer zweisprachigen Dünndruckausgabe, übersetzt von Gunhild Kübler. 1400 Seiten und trotzdem passt es in jede Handtasche…“ Zwei gemütliche Clubsitze, ein Bürostuhl auf Rollen, ein Gartenstuhl und zwei Sitzkuben laden ein, um sich in Ruhe in Bücher zu vertiefen. Und wer eine Ansichtskarte sucht, wird hier an mehreren Postkartenständern fündig. Ganz besonders die Textilpostkarten, die Petra Rüsch aus Rikon hier anbietet, Karten aus Stoffresten aller Art, die sie ganz nach Lust und Laune zusammennäht. die Stoffreste sammelt sie seit langer Zeit schon. auch im Brockenhaus findet sie immer mal etwas, „auch alte Kleidungsstücke eignen sich, der Karton stammt von alten Kinderbilderbüchern und von Schachteln von alten, unvollständigen Gesellschaftsspielen “, sagt sie. Keine Karte gleicht der anderen, besondere Karten, die man einem Buchgeschenk, das man bei Buch am Platz kauft, beilegen kann.
(Buchhändler Tobias Tanner hat die Buchhandlung am Platz verlassen und reist jetzt als Schaffner der SBB durch die Schweiz. Seit Herbst 2016 leiten Tanja Bhend und Yasemin Hutter Buch am Platz)
Buch am Platz
Kirchplatz 2
8400 Winterthur
T: 052 213 03 53
http://www.buchamplatz.ch/
Internet? – Hab‘ ich nicht!
Heinz Egger
Ein wunderschönes Haus. Es ragt hoch auf, es scheint einst einseitig höher angebaut gewesen zu sein. Das Ladenlokal ist genau so lang und so breit wie das Haus. Vorne zwischen zwei einladenden Schaufenstern die Eingangstüre, hinten eine Ausgangstüre, die durch die Scheiben im oberen Teil den Blick auf einen Innenhof freigibt. Es stehen Velos dort und am nächsten Haus prangen eine grosse Uhr und ein Schild einer Arztpraxis. Die Decke hängt niedrig, sie ist weiss gestrichen. Die quer laufenden Deckenbalken sind auch weiss. Zwei Stränge Kabel mit Halogenspots hängen von vorne bis hinten im Haus an der Decke. Keramische Isolatoren, die an alte Telefonleitungen erinnern, sorgen für Brandsicherheit, indem sie die Kabel auf Distanz zueinander und fern vom Holz halten.
Den Wänden entlang laufen Gestelle aus verzinktem Metall. Sie bilden einen starken Kontrast zum alten Haus. Darin aber stecken ungeahnte Schätze, die es zu entdecken gilt. Denn die Gestelle sind nicht beschriftet. Der Buchhändler Tobias Tanner erklärt einem aber schnell, was wo in seinen Regalen auf einen wartet. Da gibt es beispielsweise im Gestell mit der Schweizer Literatur Agota Kristof – so viele Bände von ihr sah ich noch nirgends beieinander –, Guy Krneta, ebenfalls mehrfach. Und dies, so sieht es aus, nicht nur weil er eben 2015 den Schweizer Literaturpreis erhalten hat. Auch eine schöne Ausgabe von Hermann Burgers Schilten steht da, was mich an ein weit zurückliegendes Erlebnis erinnert: Zwei Kollegen gestalteten zum Abschied aus dem Schulhaus eine szenische Lesung aus dem Buch. Gemäss Rezensent Peer Teuwsen in Die Zeit vom 18.03.2009 handelt es sich bei dieser „Brandrede gegen die Obrigkeit“ nicht nur um ein „präzises Dokument des Wahnsinns“, sondern auch um ein beispielloses Stück Schweizer Literatur – ja: eines ihrer „witzigsten und wichtigsten“ Bücher. Genau so ist mir das Buch in Erinnerung geblieben, aber auch, dass die beiden unfreiwillig scheidenden Kollegen damit ebenfalls gegen ihre Obrigkeit reden wollten.
Die Ladentür geht regelmässig auf. Ein älterer Herr wünscht einen Katalog einer laufenden Ausstellung. Dieser liegt verständlicherweise nicht in der Buchhandlung auf. Tobias Tanner aber greift zum Hörer und erkundigt sich, ob der Ausstellungskatalog erhältlich sei und ob es davon auch eine Buchhändlerausgabe gebe. Letzteres heisst nur, dass der Buchhandel ihn zu einem günstigeren Preis beziehen kann. Beides trifft zu und die Bestellung wird aufgegeben.
Während ich die Bücher afrikanischer Autoren ansehe, betritt eine Frau den Laden. Sie holt Bücher ab. Erst als ich den Betrag von mehreren Hundert Franken höre, schaue ich hin. Sie hat zwei grosse Taschen voller neuer Bücher neben sich! Und sie bestellt gleich weitere. In einem Mäppchen hat sie Blätter, wohl Rezensionen, aus denen sie Autoren und Titel herausliest. Der Buchhändler tippt, fragt zurück, tippt weiter.
Warum diese Frau wohl so viele Bücher bestellt? Arbeitet sie in einer Bibliothek? Ich ergreife eines der Buchzeichen von buchort.ch und wage es, das Bestellgespräch zu unterbrechen. Nur kurz schaut die Frau auf das Zeichen und gibt es mir zurück. Internet – das gebe es nicht mehr bei ihr daheim. Ja, und sie kauft die Bücher für sich. In ihrer Wohnung muss sich eine riesige Bibliothek befinden. Aber sie geht nicht auf meine entsprechende Frage ein. Später erfahre ich vom Buchhändler, dass er die Frau oft mit grösseren Bestellungen beliefere. Und er glaube, sie lese diese Bücher auch alle, das spüre er in den Gesprächen. Sie lese vor allem ins Deutsche übersetzte Bücher aus dem slawischen Raum. Näher kennengelernt habe er sie nicht, sagt er zum Schluss, sie sei sehr zurückhaltend und auf Distanz bedacht.
Sehr geehrter Herr Egger, sehr geehrter Herr Guggenheimer
Habe gerade Ihren Blogg besucht und finde die Idee von Buchort.ch sehr spannend. Bei Ihrem nächsten Besuch in New York sollten Sie die beiden folgenden Adressen besuchen.
Es sind Spezialbuchhandlungen für Kochbücher, und mit die Besten die ich kenne.
Beste Grüsse
Und viel Erfolg
Thomas Schoenberger
Kitchen Arts & Letters 1435 Lexington Avenue New York Upper East Side
(212) 876-5550
letters@kitchenartsandletters.com
Bonnie Slotnick Cookbooks
28 East 2nd St, New York
Telefon:+1 212-989-8962
163 West Tenth Street