Bücher und Bewegung
Michael Guggenheimer
Immer wieder beim Vorbeigehen dasselbe Staunen über die Grösse des grössten Outdoor-Ladens in Zürich: 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche. „Raus. Aber richtig“, lautet ein Motto von Transa. „Richtig“ heisst vorerst wohl die richtige Kleidung, das passende Schuhwerk, das geeignete Beiwerk für alle Outdoor Aktivitäten von der Gamasche bis zum Sonnenhut. Man muss weder Skifahrer noch Wanderer sein, weder Biker, gewöhnlicher Radfahrer noch Surfer oder Camper, um sich hier zu Verweilen und einzukaufen. Und die Versuchung ist gross, auch wenn man gar nicht sportlich unterwegs ist. Transa am Hauptbahnhof von Zürich ist nämlich ein Eldorado für Leute, die gerne sportlich aussehen oder im Freien sportlich unterwegs sind. Vor lauter Staunen über die Vielfalt der Artikel verweilt der Blick des Ladenflaneurs, der diesmal nichts braucht und dennoch den Laden betreten hat und etwas kauft, in den Gestellen. Vielleicht doch noch ein T-Shirt kaufen? Oder eine Mütze? Und dann diese Windjacken! Oder doch endlich einen Pedometer für die gesunden 10 000 Schritte im Tag kaufen? Gadgets ohne Ende. Man müsste nur kurz nach oben schauen und würde im Galeriegeschoss noch das Buchgeschäft entdecken, das zum Laden gehört und von dem aus man wie von einer bergigen Anhöhe aus weite Bereiche von Transa überblicken kann. Transa und Orell Füssli betreiben den Buchladen gemeinsam. Buchhändler Stephan Bieri, der hier abwechselnd mit drei Kollegen den Bücherbereich betreut, hat schon häufig beobachten können, wie sich Kunden im Erdgeschoss mit GPS und Schlafsack, mit Rucksack und Wanderschuhen ausrüsten, um dann die Treppe hinaufzugehen und im Bücherbereich den Reiseführer für Ladakh oder Island zu holen. Wer sich im Parterre mit einem GPS für die grosse Wanderung ausgerüstet hat, der kann im Buchladen unter mehreren Büchern zum richtigen Einsatz mit dem neuen Gerät das passende Buch aussuchen. Wer ohne Wetterdienst ab Handy wissen will, wie sich das Wetter in den Bergen in den kommenden Stunden entwickeln könnte, der kann sich hier Bücher zur Wolken- und Wetterbeobachtung holen. „Der natürliche Kompass – Mit allen Sinnen unterwegs“ lautet ein Buchtitel für alle jene, die sich nicht gerne von Apps abhängig machen. Survival Manuale, Bücher und Landkarten für Wanderer und Biker, Fahrrad Weltführer und Fahrradführer für Europa, Fahrrad-Etappenkarten mit Routenbeschreibungen für einzelne Regionen: Wer nicht weiss, wo lang es wieder gehen könnte, kann sich Material holen. Sollte der 27-Gänger unterwegs einen Schaden erleiden, muss man nur vor Antritt der Radtour eines der Bücher holen, in denen alle Angaben zu allen möglichen Radreparaturen nachzulesen sind. „Outdoor Knoten-Basiswissen“ lässt sich in Buchform erwerben, die dazu passende Knotenbox ist hier ebenso erhältlich. Marathonbücher, Trail-Running-Wissen zwischen zwei Buchdeckeln, Wanderführer für Ehrgeizige und für Geniesser sind hier ebenso zu haben wie Wohnmobil-Handbücher und Kartenmaterial sowie Routenbeschreibungen für Flusskreuzfahrer. Ehrgeizige Kletterer und Fernwehsüchtige mit guten Englischkenntnissen, die in der Transa-Buchhandlung nicht fündig werden, verweist das Personal an die Buchhandlung PIZ, so kollegial ist man hier. Der Autor dieser Zeilen hat übrigens zwei Monate vor dem Besichtigungstermin in der Transa-Buchhandlung und vor dem Antritt einer zweiwöchigen Wanderung das Buch „Orientierung mit Kompass und GPS“ gekauft, um endlich die Möglichkeiten auszuloten, über die sein Recta Kompass verfügt, den er seit seiner Gymnasialzeit besitzt, aber noch nie zuvor wirklich eingesetzt hat.
Buchhandlung Transa
Lagerstrasse 4
8004 Zürich
www.transa.ch/de/outdoor/printmedien
Reise(ver)führer
Heinz Egger
Mischa erklimmt die Treppe zur Buchhandlung im Transa im Laufschritt. Valérie folgt ihm gewandt wie eine Katze. Sie tauchen in die Gestelle ein. Mischa zeigt auf einen Titel und ruft: „Ich war schon überall.“ – Sie entgegnet: „Wie bitte? Was für eine Aussage!“
Kann jemand überall gewesen sein? Wenn die Beiden die Auslage im Büchershop betrachten, den Orell Füssli im Outdoor-Laden betreibt, dann könnten sie meinen, es wäre möglich. „Schau, Mischa, es gibt sogar einen Atlas über die entlegenen Inseln“, sagt Valérie begeistert. Es gibt Bücher über alle Regionen der Welt. Der Rückwand entlang finden sich die Reiseführer. Sie sind nach Kontinenten, dann nach Ländern oder Regionen geordnet. In den Gestellen laden Bildbände zum Blättern ein. „Wow, ist das ein Wälzer“, staunt Valérie. Sie hebt mit beiden Händen ein Fotobuch über Burma oder Myanmar in der Zeit ab 1985 hoch. Oder Wanderbücher spornen an, auf Schusters Rappen die Welt zu erkunden. In einem grossen Stock stecken in Schubladen unzählige Karten, welche die Reise zu Fuss, per Fahrrad, Motorrad oder Auto erleichtern können. Und natürlich sind da die verführerischen Bände, in denen das Wort Traum im Titel leuchtet: Traumstrände der Welt, Traumwanderungen, Traumkletterrouten, Traumstrecken für Motorradfahrer, Biker und Autofahrer. Oder die Paradiese dieser Welt: in den Bergen, auf Inseln, unter Wasser.
Ganz am Rand eines Gestells entdeckt Mischa Notizbücher. Und daneben eine Anleitung fürs „Schreiben auf Reisen“ von Hans-Josef Ortheil, erschienen im Duden-Verlag. Er nimmt das Werklein in die Hand und wendet sich an Valérie, die immer noch in einem der Traumbücher blättert: „Da gehen sie an ihren Traumstrand, liegen im Sand und kehren braungebrannt heim. Und das ist auch das Einzige, was sie mitnehmen. Da sind mir die Routen, bei denen wir jeden Zentimeter erobern müssen, schon lieber. Und dann am Abend im Biwak ein paar Notizen in unser Klettertagebuch kritzeln. Festhalten, was bewegt hat. Eigentlich sollten wir mehr aus unseren Bemerkungen machen. Dieses Büchlein könnte uns anleiten. Was meinst du?“ Valérie zuckt die Achseln und schaut Mischa fragend an. „Noch ein Projekt?“
Wer sich in Gebiete begibt, die auch Überlebensstrategien erforden, findet da Ratgeber, wie beispielsweise ein Messer einzusetzen ist oder ein Kochbuch für Gerichte mit Kräutern, die am Weg zu finden sind.
Valérie und Mischa lehnen am Geländer der Galerie. Sie schauen vom ersten Stock dem Gewusel zwischen den Gestellen mit Rucksäcken, Zelten, Bekleidung, Feldstechern und elektronischen Wegweisern zu. Die Verkaufsfläche ist riesig. Dann schauen sie sehnsüchtig hinüber zur Kletterwand.
Das Fernrohr, wie es jedes Kind von den Aussichtspunkten mit viel Publikum kennt, schluckt keine Münzen, damit man einen Blick in die weite Ferne erhaschen kann. Es ist blind.
Wer nicht mehr mag, kann am Automaten eine Tasse Kaffee aufbrühen und sich in einen der Fauteuils sinken lassen. – Vielleicht mit einem Band aus dem Sortiment der Bellestristik in der Hand, beispielsweise Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“.
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