Bücherspatz, Rapperswil

Ein Traum wird wahr

Michael Guggenheimer

Es gibt Menschen, die ihre Träume wahrmachen. In Rapperswil sind es vier buchbegeisterte Frauen und ein Mann, die gemeinsam eine GmbH gegründet und eine Buchhandlung eröffnet haben. Bücherspatz heisst die Buchhandlung, kleine 16 Quadratmeter gross ist der Laden in einem schmalen zweistöckigen Haus an der Marktgasse in der Altstadt. „Die kleine Buchhandlung für grosse Lesensfreude“ steht denn auch folgerichtig auf dem Buchzeichen, das man beim Kauf eines Buchs bekommt. Und als besonderer Hinweis noch: „Neu Sonntags geöffnet. 13.00 bis 17.00 Uhr“. Eröffnet haben die fünf den Laden nachdem eine andere Buchhandlung in Rapperswil eingegangen ist. Mut haben sie. Und sie lassen sich auch nicht von einem kürzlich erschienenen Inserat in der Lokalzeitung abschrecken, in dem jemand ein Ladenlokal in Rapperswil suchte, wo sich eine Buchhandlung einrichten liesse. Drei unter den fünf haben früher in Buchhandlungen gearbeitet, die es nicht mehr gibt, eine ist eine Quereinsteigerin, der Mann ist beruflich in der Logistik tätig und für Finanzfragen zuständig.

Ein kleiner Tisch vor dem Schaufenster, zwei Holzstühle und Bücher mit einem Schild mit dem Vermerk „Büchertisch. 25 % Rabatt pro Buch“ lädt zum Sitzen, Stöbern und Lesen ein. Die Ladentür ist offen, „Buchhandlung geöffnet“ steht auf der Tür. Die schräge Bücherwand auf der einen Seite des Ladens fasst beinahe alle Bücher, die beim Bücherspatz zu haben sind. Dass die Bücher, die sie hier präsentieren, nach eigenem Gusto und nicht nach der Bestsellerliste auswählen, zeigt ein Blick auf die Bücherwand: Aus sechs Büchern lugen Buchzeichen der Buchhandlung hervor, auf denen noch das Wort „Lesetipp“ geschrieben steht. Es sind die Lesetipps der fünf, ohne dass ersichtlich wird, wer von ihnen welches Buch empfiehlt. Es sind besonderes Bücher, die die fünf ihren Kunden empfehlen: In „Jenseits der weissen Linie“, erzählt die serbische Autorin Dragana Oberst über eine Odyssee zwischen Menschen und Ländern. „Die Unvergleichlichen“ des Zürcher Publizisten Daniel Suter ist eine Familiensage, die in der Schweiz und England spielt, „Der Glühwürmchensommer“ von Gilles Paris geht der Frage nach, was eine Buchhändlerin und Mutter in all den Büchern sucht, die sie pausenlos liest und mit gelben Post-its beklebt, „Das Ende von Eddy“ von Edouard Louis beschreibt die grausame Welt des Dorfs, die auch heutzutage keine Aussenseiter wie den jungen Protagonisten dieses Debütromans zulässt. Als Homosexueller findet er erst in der Stadt Rettung. „Manchmal Rot“ von Eva Baronsky ist ein Roman über Parallelwelten. Einzig Anne Tylers „Der leuchtend blaue Faden“ ist das Buch, das auch in anderen Buchhandlungen immer wieder zu sehen ist. Was die sechs Buchempfehlungen andeuten, wird beim Umschauen in der Buchhandlung deutlich: Gute Belletristik steht hier im Vordergrund.

Der winzige Bücherladen Bücherspatz ist gut assortiert

Die Art und Weise, wie sie ihre Bücher auswählen, ist speziell. Natürlich spielen Rezensionen eine Rolle. Als es galt, die neuen Bücher des kommenden Herbsts auszuwählen, da zogen sich drei unter ihnen in ein Hotel auf die Rigi zurück, um reihum ihre Präferenzen aus den Herbstkatalogen der Verlage auszuwählen und über die ausgesuchten Bücher zu sprechen. Viermal im Jahr findet in der Buchhandlung ein Abend statt, an dem Novitäten vorgestellt werden. Lesungen für eine überschaubar kleine Zahl von Zuhörenden können ebenfalls im Ladenlokal stattfinden. Die Zürcher Autorin Dagmar Schifferli hat vor kurzem hier aus ihrem Buch „Leben im Quadrat“ vorgelesen. Grössere Veranstaltungen muss die Fünfercrew auswärts durchführen. 120 Zuhörende kamen im Hotel Schwanen zu einer Lesung von Lucien Deprijck aus seinem Buch „Ein letzter Tag Unendlichkeit“, die gemeinsam mit dem Unionsverlag veranstaltet wurde. Und demnächst sind Lesungen in der Argentinischen Weinhandlung in Rapperswil geplant, wobei Bücher argentinischer Autoren im Vordergrund stehen werden.

Zusätzlich zu den angebotenen Büchern stehen noch mehrere Vögel im Laden herum. Keine ausgestopften Vögel. Die Eltern von Buchhändlerin Monika Künzler haben aus gelesenen Rezensionsxemplaren, die nicht verkauft werden dürfen, Vögel hergestellt, die sie zum Verkauf anbieten. Keine Spatzen zwar, aber jeder Vogel ein schönes Exemplar. Ein kleines Angebot an Parfums und ausgesuchte Zigarren sind auch noch im Angebot. Und neben der Kasse liegt das Buch „111 Gründe Bücher zu lieben“. Ja, es gibt wirklich 111 Gründe. Ein Grund ist die Buchhandlung an der Marktgasse in Rapperswil.

BücherSpatz GmbH
Marktgasse 16
8640 Rapperswil
T: 055 210 31 31
www.buecherspatz.ch

 

Der Büchernarr

Heinz Egger

Das namengebende Tierchen keck auf einem Buch

Er sitzt auf einem Buch und äugt über den Rand hinab. Schnell bewegt er seinen Kopf hin und her, um ja alles im Blick zu haben. Seine schwarzen Knopfaugen leuchten. Frech streckt er der Buchseite hinter ihm sein Bürzel entgegen. Es scheint, als hätte er gar keine Angst vor der Bücherkatze, die im Titel der Seite lauert. Vielleicht tut er nur so, als wäre er ihrer nicht gewahr, denn im Text steckt noch ein Bücherwurm, den er sich natürlich nicht entgehen lassen will.

Kurz schüttelt er sein Gefieder und streckt seine Flügel. Dabei zeigt er Diane Broeckhoven „Ein Tag mit Herrn Jule…“ und Stefan Klein „Wir alle sind Ster…“ Ein paar unordentliche Federchen des prächtigen Buchstabenkleides verdecken das Ende der Titel. Es scheint ein philosophischer Spatz zu sein: Diane Broeckhoven bechäftigt sich in „Ein Tag mit Herrn Jules“ mit dem Sterben. Es ist eine stille und scheinbar einfache, poetische und atmosphärisch dichte Erzählung, eine anrührende und besinnliche Lektüre, wie Dieter Wunderlich schreibt (www.dieterwunderlich.de/Broeckhoven-tag-herrn-jules.htm). Dr. Stefan Klein ist Physiker, Philosoph und erfolgreicher Wissenschaftsautor. In „Wir alle sind Sternenstaub“ verarbeitet Stefan Klein Gespräche mit führenden Wissenschaftlern über die grossen Themen unseres Daseins: Liebe und Schönheit, Gerechtigkeit und Schmerz.

Wieder äugt der Spatz über seinen Hochsitz auf dem Buch über der Kaffeemaschine hinunter. Ob er eine der dicken Zigarren dort unten im Körbchen fixiert? Das wäre wohl ein sehr starkes Kraut für ihn. Da täte ihm ein feiner Duft von Bibi Bigler, wie er in Flacons auf einer kleinen Kommode etwas weiter weg angeboten wird, sicher besser. Oder will er wissen, ob das Buch „Ben vivir“ von Alberto Acosta noch da ist? Ein wichtiges Buch, das ihm gefällt. Es handelt vom Recht auf ein gutes Leben.

Unablässig zwitschert er. Vielleicht hat er auch schon ein nächstes Buch im Auge? Er fliegt auf und flattert aufgeregt vor dem Büchergestell an der gegenüberliegenden Wand entlang. Links des Schaufensters – durch die offene gläserne Ladentür bedeckt, sind Kinderbücher. Mehrmals fliegt er fast ins Glas, wohl irritiert durch sein Spiegelbild. Rechts des Schaufensters, im ersten Halbgestell des etwa fünfeinhalb Meter langen Büchergestells sind Bilderbücher. Die Farben ziehen ihn magisch an. Auf drei Tablaren gibt es eine Aufschrift: Schweizer Autoren, Schweizer Krimis und Krimis.

Die meisten Bücher zeigen ihr Cover. Die Auflage der Bücher ist so tief, dass sich der Bücherspatz bequem darauf niederlassen kann. Lange trippelt er vor dem Buch „Chäswandern“ von Tina Balmer hin und her. Ist es nun der Käse oder das Wandern, respektive das Fliegen, was ihn so anzieht? Immerhin werden in dem Buch 35 Käse und deren Produzentinnen und Produzenten in der ganzen Schweiz vorgestellt. Alle sind sie leicht zu erreichen. Ein Austausch mit dem Käser, ein paar Käsebröckchen vor der Alpsennerei und der Ausblick ins Tal hinab, in die Weiten des Landes, das wäre doch schön!

Und der Spatz entdeckt gleich drei Bücher, die sich mit der Welt und ihren beschränkten Ressourcen beschäftigen. Upcylcling und Recycling zwitschert laut.

Die Auswahl ist entsprechend der sehr beschränkten Ladenfläche nicht riesig. Aber gut assortiert.

Und schwups ist der Spatz draussen. Er setzt seinen Bücherflug vor dem Laden über den Tisch mit Büchern, die mit 25% Rabatt angeboten werden, fort. Er lässt sich auf einer der Stuhllehnen nieder. Dort lässt sich wunderbar die Aussicht geniessen, zwitschern und den Passanten zurufen, dass der Bücherspatz viel aktuelle Literatur für Gross und Klein anzubieten hat.

 

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