The Store
Michael Guggenheimer
Es gehört wohl zur Neusprache der Hochschulen, dass man für Bezeichnungen, für die es in deutscher Sprache durchaus Worte gibt, solche in Englisch vorzieht. So heisst ein Institut an der Uni Zürich „Institute of Evolutionary Medicine“, weil es offenbar für diese Sparte der Medizin keine deutsche Bezeichnung gibt. Und auf dem Hügel, dem Hönggerberg, auf dem sich ein Teil der Institute der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) am Stadtrand von Zürich befinden, listet der Situationsplan auf der deutschsprachigen Site der ETH im Internet die einzelnen Gebäude nur in Englisch auf: Für das Department of Civil, Environmental and Geomatic Engineering hat offenbar kein noch so gut bestücktes Gremium eine deutsche Bezeichnung finden können. Nicht anders ergeht es dem Institute of Chemistry and Applied Biosciences. Und so ist es auch mit dem Laden, in dem die Studenten ihre Lehrbücher kaufen können, er heisst ETH Store. Vor dem Store warten am Busstop von Zurich Public Transport Studenten auf den nächsten Bus der Linie 80. Da der Bus erst in zehn Minuten abfährt und es regnet, begeben sich einzelne Studierende in den Store, wo es immer gute Angebote gibt. Zwei Bereiche weist der Store auf. Rechts befindet sich eine grosszügig ausgestattete Papeterie mit den Bereichen Schreibparadies, Modellbau, Skizzenbücher und Werkplatz. Der Werkplatz ist der Bereich, in dem man selber an Geräten Manuskripte lochen und heften kann. Seitdem es in der Stadt nur noch wenige Papeterien gibt, bietet der Store eine gute Ausweichmöglichkeit, für die sich die Busfahrt auf den Hönggerberg durchaus lohnen kann: Hier finden sich viele verschiedene Klebestoffe, Papiere in vielen Formaten und Farben, Schreibblocks auch in ungewohnten Grössen, Universalmappen, Sichtmappen, Ordner in allen Farben, Kartons bis zu 110 m Länge, Modelliermasse, Notebookschlösser, Agenden, Pinsel, Bleistifte und Zeichenmappen in vielen Grössen.
Auf der linken Seite des Stores befindet sich die Buchhandlung. Eindeutig ein Ort, an dem Studenten einkaufen. „Der ETH Store ist die gemeinsame Adresse für den Erwerb von Büchern, Schreibwaren und ETH-Merchandising. Die Produkte und Dienstleistungen sind schwergewichtig auf die Bedürfnisse der Studierenden und Mitarbeitenden der ETH Zürich ausgerichtet“, lautet die Information im Netz. Von der Grösse her kann es der Buchhandlungsteil des Stores durchaus mit anderen Buchhandlungen in der Stadt aufnehmen. Das Angebot an Büchern jedoch ist eindeutig auf die Bedürfnisse der Studierenden ausgerichtet. Die Büchergestelle heissen Geomatik, Bauing., Biologie, Geologie, Chemie, Mathematik, Physik, Sportpsychologe, Dazwischen fällt der Bereich auf, der mit dem Wort „Populäres“ überschrieben ist. Die meisten Büchergestelle sind der Architektur vorbehalten. Auf fünf Regalbereiche werden die Bücher des ETH-eigenen gta-Verlags gezeigt, dessen Spezialität Bücher für Architekten, Städteplaner und Bauingenieure sind. Die Architektur bildet denn auch den grössten Bestand an Büchern im Store. Vor einem der Fenster sind Bücher gestapelt, die offenbar Renner sind: Biologie heisst ein schwere Buch im Pearson Verlag, die Bücher Biology and Global Approach und Allgemeine Geologie liegen nebenan, je über 50 Exemplare warten auf Studenten, denen offenbar in den Vorlesungen und Seminaren gerade diese Bücher empfohlen wurden.
Ob der Store auch Bücher für Leserinnen und Leser bietet, die kein Studienfach an der ETH belegen? Titel wie „Basics: Konstuktion Betonbau“, „Was der Architekt vom Stahlbeton wissen sollte“, „Biology Global Approach“, „Molekularbiologie der Zelle“ oder „Immunbiology“, „Projektmanagement Architektur“ oder „Was der Architekt vom Stahlbeton wissen sollte“ richten sich eindeutig an Studenten. Und wer in seinem Leseralltag eher wenig Umgang mit wissenschaftlicher Lektüre hat, der entdeckt Verlagsnamen, denen er noch nie begegnet ist wie Pearson, Wiley-vch, Nolting und Springer Spektrum. Im Bereich der Lehrbücher kann der Store gewiss das Wichtigste, das Studierende an der ETH lesen müssen, bieten und beschaffen. Wer sich für Belletristik und für „Populäres“ interessiert, kann durchaus auch auf seine Rechnung kommen. Einzelne Bücher von Schweizer Autoren wie Franz Hohler, Joel Dicker, Martin Suter und Rolf Lappert liegen im Store auf. In einem Drehgestell warten Klassiker wie Adelbert von Chamisso, Theodor Fontane, Henrik Ibsen und Charles Dickens, alle im Annaconda Verlag erschienen, den man sonst nirgendwo in einer Buchhandlung in der Stadt antrifft. Für alle jene, die sich in einem neuen Gebiet einlesen wollen, von dem sie sich Nutzen erwarten, bietet der Store eine Menge jener schwarz-gelben How-to-do-Books mit dem Nebentitel „….fur Dummies“. Erfolgreiche Geldanlage, angstfreier Leben, Erfolgreich studieren oder Cocktails sind vier von vielen Titeln. Daneben Titel, die einen Weg zwischen den Fächern, die an der ETH gelehrt werden und dem Alltag beschreiten wie „Was Oma noch wusste – Praktische Ratschläge für den Alltag“, „Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition“, „Warum Frauen schneller frieren“. Wer sich aus ästhetischen Gründen für Architektur und Städtebau interessiert und kein Architekturstudium belegt, der hat es nicht leicht im Store: Zahlreiche wunderbare Monografien und Bildbände liegen da auf, spannende Titel zu den genanten Bereichen, die aber leider fast alle verschweisst sind. Die Hemmschwelle Bücher aus der Folie zu befreien ist gross, weshalb man da dankbar an die Buchhandlung „hochparterre“ in der Stadt denkt, wo das Flanieren durch Bücher leichter gemacht wird.
Der Schreibende, der kein naturwissenschaftliches oder technisches Studium absolvieert hat, hat dennoch zwei Bücher gefunden, die er gekauft hat. Und fast hätte er ein blaues T-Shirt mit dem Aufdruck „ETH Zurich. Est. 1855“ und eine schicke Einkaufstasche mit demselben Aufdruck gekauft. Aber nur fast.
ETH Store Hönggerberg
Wolfgang-Pauli-Strasse 14
8049 Zürich
T: 044 633 27 78
https://www.eth-store.ch/
Digitale Konkurrenz
Heinz Egger
Ich war im Sommer schon einmal da. Allerdings vor verschlossenen Türen. Begreiflich, während der Semesterferien läuft zu wenig. Es lohnt sich also nicht, die Papeterie und Buchhandlung länger als bis 16 Uhr offen zu halten. Ich setzte mich mit einem Kaffee auf die Terrasse. Mir fiel damals auf, dass die Zeitspuren an Gebäude und Möbeln sehr deutlich waren. Die Cafeteria und die anschliessende Mensa befinden sich unter der Polyterrasse. Ein grosszügiger Gang trennt den Essens- und Erholungsbereich von der neu eingerichteten Papeterie und Buchhandlung. Über dem Eingang steht gross ETH Store. Erst seit einem halben Jahr seien sie dort eingenistet, sagt, Christian Pletscher, Stellvertretender Geschäftsführer und Leiter Einkauf und Finanzen. Früher lagen die beiden Angebote eine Etage tiefer. Die Bücher standen in Büromöbeln mit Rollo-Schiebetüren in einem Gang, Schreibwaren und Papier vis-à-vis in einem Raum, der mit stoffbespannten Schiebewänden geschlossen werden kann. Jeden Morgen musste also jemand all die Gestelle aufschliessen und die Bürowände aufschieben. Heute liegt dort unten das Büro der ETH Store Genossenschaft, zuständig für die Buchhandlung, und der AG der Papeterie. Noch stehen im Gang die Bücherkästen und es kommen immer wieder Studierende vorbei, die entweder Bücher oder Schreibzeug kaufen wollen. Dies, obwohl im Treppenhaus ein deutliches Schild hängt, dass man die Treppe nach oben nehmen müsse, um zu den entsprechenden Angeboten zu kommen.
Eigentlich hätten sie gern etwas umgebaut am neuen Standort. Aber das habe bei einem so alten Gebäude immer einen feuerpolizeilichen Rattenschwanz zur Folge, sagt Christian Pletscher. So sind denn auch die neuen Räume ohne Tageslicht. Dafür sind sie hell gestrichen und viele Strahler leuchten die Papeterie und den Bücherraum aus.
Die Buchhandlung ist in einem schlauchartigen Raum untergebracht, den man durch die Papeterie mit der Kasse erreicht. Etwas eng ist es, besonders wenn noch Kisten im Raum stehen, deren Inhalt in die hellgrauen Buchgestelle aus Metall links und rechts des Raums eingeordnet werden sollen. Zwei junge Frauen widmen sich dieser Arbeit, wenn sie nicht gerade in der Papeterie gebraucht werden oder ganz hinten im Raum jemandem erklären, wie die verschiedenen Bindeapparate für Skripte und Studienarbeiten zu bedienen sind.
Es sind nicht viele Leute da. Aber das werde sich ändern. Meistens kämen kurz vor Ladenschluss noch ziemlich viele, die dies und nur noch schnell jenes gerne hätten, sagt mir eine der jungen Frauen, als sie am winzigen Arbeitsplatz in der Buchhandlung hinter dem PC sitzt.
Das digitale Buch ist eine grosse Konkurrenz zu den gedruckten Büchern bei den Studierenden an der ETH. Viele Bücher sind in der Bibliothek elektronisch ausleihbar. Beispielsweise alle aus dem Springer Verlag, sagt mir Christian Pletscher. ETH Store betreibt auf e-readers.ch eine Plattform für elektronische Bücher. Das mache es ziemlich anspruchsvoll, die richtigen Bücher aus Papier einzukaufen. So liegen denn einige Dutzend Exemplare „Touch of Class“, das einen lehrt, wie man gut programmiert, und „Ingenieurmechanik 1“, das Grundlagen und Statik vermittelt, geschichtet wie auf einer Palette am Boden. Übrigens erschienen beide im Verlag Springer.
Es ist die Buchhandlung einer technischen Hochschule. Entsprechend sind die Gestelle oben mit einem Papierschild beschriftet: Informatik, Elektron, Maschinenbau, Physik (2 Gestelle), Mathematik (3 Gestelle) Sprachen, Studium und Recht (im selben Gestell), Ökonomie, Chemie. Im Gestell ETH finden sich vor allem Artikel mit dem ETH Brand. Unter Diverses finden sich ein wenig Belletristik und einige Kochbücher. Ganz klar, wer nicht gut isst, studiert nicht gut. Oder auch Kochen ist Chemie. Bei den Sprachen stehen Langenscheidt Dictionnaires und Bände von Duden.
Vieles ist Englisch. Viele Titel deuten auf komplexe und anspruchsvolle technische Themen hin, wie Quarks and Leptons oder Game Theory. Erfrischend sind daneben die vielen Bücher aus der Serie „for Dummies“ zu Optik, Quantenphysik, Astronomie, Statik für Maschinenbauer, Börse, Bilanzen erstellen und lesen, Wirtschaftsmathematik, Wirtschaft, Marketing, Chromatographie, physikalische Chemie. Ob ich da beim einen oder anderen Thema folgen könnte?
Eine Studentin fragt nach den Karten zur Mikrobiologie. Die Kartonwürfel mit den Lernkarten zu verschiedenen Themen sind begehrt. Eben ist eine Lieferung eingetroffen. Die Würfel sind noch in den Transportkisten. Christian Pletscher greift zielgerichtet hinein und hält das Gewünschte der Studentin hin. Sie hätte sie bestimmt auch am Montag auf dem Hönggerberg erstehen können, sagt er zu ihr, wissend, wo die Biologen studieren. Im Campus Hönggerberg liegt der zweite ETH Store mit Papeterieartikeln und Büchern fürs Studium. Alle ETH Stores mit ihrem Angebot sind unter eth-store.ch => Standorte und Öeffnungszeiten aufgeführt. Überhaupt, der Online-Store hat es in sich. Im Bereich Bücher gibt es eine sehr feine Aufteilung in Rubriken. Unter Belletristik beispielsweise findet sich eine ellenlange Liste von Büchern. Die Autoren reichen von Goethe, Schiller und Fontane bis Houllebeq.
ETH Store Polyterrasse
MM-Gebäude
Stock C (gegenüber Cafeteria Zweistein/ bQm)
Leonhardstrasse 36
8092 Zürich
T: 044 632 42 89
https://www.eth-store.ch/