Am richtigen Ort
Michael Guggenheimer
Lange Zeit war in Zürich Robert Krauthammer derjenige Buchhändler, der Architektur- und Designbücher in seinem Buchladen wie kein anderer in der Deutschschweiz führte. Zuletzt war er mit eigenem Laden an der Oberen Zäune tätig, wo zwischen Büchergestellen kostbare grosse Glasobjekte in Vitrinen zu sehen waren. Das endgültige Aus der Ära Krauthammer fand an der Marktgasse 12 statt, als die Firma Orell Füssli in den Räumen der traditionsreichen Papeterie Racher den Versuch unternahm sich als «Europas grösste Auswahl an Architektur-, Design- und Grafikbüchern» zu etablieren und eine Architekturabteilung sowie eine französischsprachige Librairie einrichtete.
Dass Zürich heute immer noch und wieder eine spezialisierte Buchhandlung für Architektur besitzt, ist den beiden Herausgebern der Zeitschrift ‚hochparterre’ zu verdanken. Köbi Gantenbein und Benedikt Loderer waren es, die den Buchhändler Hanspeter Vogt dazu überreden konnten, seine in Bern domizilierte «architektur und design buchhandlung» zu Gunsten einer Buchhandlung in Zürich aufzugeben. Mit Esther Kirianoff, die acht Jahre lang Robert Krauthammer zur Seite stand, holten die beiden Architekturkritiker eine weitere Fachkraft in ihr Unternehmen. Vogt, gelernter Hochbauzeichner, hatte seine Buchhändlerlehre bei Krauthammer absolviert und erfolgreich sein eigenes Fachgeschäft in Bern geführt.
„Hochparterre Bücher liegt ein paar Etagen höher, wenn es um wahres Fachwissen – und die entsprechende Auswahl – rund um Publikationen und Magazine sowie lesens- und sehenswertes zum umfassenden Thema Architektur geht.“, heisst es in der Selbstdarstellung der Buchhandlung, die im Jahr 2007 eröffnet wurde und die bereits nach einem Jahr schwarze Zahlen in ihrer Jahresabrechnung aufweisen konnte. Auf die Frage, ob der Standort im Industriequartier, dem Stadtkreis 5, für eine Buchhandlung dieser Art geeignet sei, meint Stadtwanderer Loderer: „Im Kreis 5 befinden sich eine Menge Architekturbüros. Wir sind am richtigen Ort. Und zudem lässt sich ein Laden im Stadtzentrum heute mit Büchern gar nicht mehr finanzieren“. Hanspeter Vogt meinte bereits anlässlich der Eröffnung der Buchhandlung an der Gasometerstrasse: «In der Stadt Zürich hat es viermal mehr Architekten als in Bern», was Grund genug sei, um in Zürich eine gute Fachbuchhandlung zu etablieren. Und Loderer verweist auf die Eidgenössisch Technische Hochschule (ETH) mit ihrer Architekturabteilung. Studenten und Dozenten gehörten ebenso zum Kundenkreis von Hochparterre.
Wo sich früher das kleine italienische Restaurant „Morgillo“ befand, stehen heute die wohl elegantesten Buchregale und Leuchten einer Buchhandlung in Zürich, entworfen von so renommierten Designern wie Dieter Rams, Moritz Schmid und Niels Holger Moorman. Und selbstverständlich sind auch die Stühle in der Buchhandlung nicht einfach Stühle, sondern Sitzgelegenheiten, die jeden Designfreund an grosse Namen von Entwerfern erinnern. Im Nebenraum der Buchhandlung, der ehemaligen Küche des früheren Restaurants, lagern Architekturzeitschriften und Bücher aus dem Bereich der Inneneinrichtung. Der Schwerpunkt des Bücherangebots im grossen Ladenraum mit seinen Schaufenstern liegt auf der Architektur des 20. Jahrhunderts. Städtebau, Geschichte und Theorie der Architektur, Architekturführer für nicht wenige Länder und Grosstädte, Architekten-Monografien, Bücher aus dem Bereich der Bautechnik und Bände zum Thema Einfamilienhausbau sind hier ebenso zu finden wie eine Wand mit Büchern zu den Themen Landschaft, Gärten und Landschaftsarchitektur. Den Bestand an Kunstbüchern haben die beiden Buchhändler reduziert, seitdem die Buchhandlung ‚Kunstgriff’, die sich in Gehdistanz befindet, aus ihrem vorübergehenden Exil im Siemens Areal an der Albisriederstrasse wieder in den Stadtkreis 5 zurückgekehrt ist. Ob es eine andere Buchhandlung in Zürich gibt, in der so viele schwere Fotobände liegen? Schon die beiden Bände „Wright 1917 – 1942“ sowie „Wright 1943 – 1959“ sind so schwer, dass man sie einzeln mit beiden Händen tragen muss, will man sie auf dem Lesetisch auch näher anschauen. Unter dem Ladentisch im Zeitschriftenraum lagert das fünfbändige Werk, in dem die Bauten von Peter Zumthor vom Meister selber beschrieben sind. Und auch wenn die grosse Monografie vom Verlag Scheidegger & Spiess für den stolzen Preis von Fr. 220.- zu haben ist, lange werden die Kartonschuber her nicht unter dem Tisch bleiben. Die niederländische zeitgenössische Architektur sowie die Bauten im Osten von Amsterdam auf den neuen Inseln Steigereiland und Haveneiland musste der Autor dieser Zeilen jedenfalls nicht erst bestellen. Er fand sie unter den Architekturführern und sah zu, wie Esther Kirianoff sie in Holland gleich nochmals bestellte.
Hochparterre Bücher
Buchhandlung für Architektur, Kunst und Design
Gasometerstrasse 8, 8005 Zürich
T: 044 271 25 00
www.hochparterre-buecher.ch/
Zu hoch oben
Heinz Egger
Hochparterre – eigentlich ein Widerspruch: par terre heisst am Boden, da passt eigentlich hoch nicht dazu. Gewöhnlich wird mit Hochparterre ein Geschoss bezeichnet, das einen Halbstock über dem gewachsenen Boden liegt. Also eine Etage, in die von der Strasse aus nicht in die Räume geschaut werden kann. Das erzeugt Spannung!
Ich fühle mich gleich wohl in der kleinen Buchhandlung an der Gasometerstrasse. Der Raum ist hell. Drei grosse, kreuzförmige Neonleuchten spenden das Licht. Es riecht nach Druckfarbe. Und überall stehen Stühle, die einladen, ein Buch nicht nur zu blättern, sondern sich ein wenig darin zu vertiefen. Besonders angenehm ist das, wenn das Buch dick und schwer ist. Und von denen liegen einige auf!
Auf einem wunderschön verarbeiteten Holztisch, liegen sie auf, die neuesten Titel: Ein grosser, schwerer, auf dem bloss Mies steht. Eine umfassende Darstellung des Werks von Mies van der Rohe, der schon in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts dank grossflächiger Verglasung transparente Häuser gebaut hat. Zum Beispiel das Haus für die Familie Tugendhat in Brünn. Ein Bijou in jeder Hinsicht. Mies van der Rohe hatte freie Hand zur Gestaltung. So konnte er alle seine Ideen und Prinzipien umsetzen: Er entwickelte nicht nur das Haus, sondern die ganze Innenausstattung und die Möbel. Unter anderem hatte das Haus raumhohe Türen und versenkbare Fenster in der Veranda.
Viele Bücher sind Englisch, einige Spanisch. Die beschriebenen Orte sind international. Namen in der Szene bekannter Architekten oder Architekturbüros prangen auf den Buchdeckeln. New York transformed – The Architecture of Cross & Cross.
Robert van’t Hoff – Architect of a New Society. Architektur der Sehnsucht – 20 Schweizer Ferienhäuser aus dem 20. Jahrhundert. Der Eckgrundriss – Niggli Stadtbaukunst. Vom guten Wohnen – vier Hausbiografien von 1915 bis zur Gegenwart. City as a Loft. Geschichte macht Architektur. Lucius Burckhardt: Design ist unsichtbar.
Die Titel lesen sich wie eine Gedankensammlung zu dem, was in der Stadt Zürich gerade abläuft. Zürich verändert sich in ihren Randgebieten und den wenigen Brachen näher am Zentrum enorm schnell. Teils entstehen teure, sogar sehr teure Wohnungen, welche die Sehnsüchte der gut Betuchten stillen sollen. Auch neuer Wohnraum in verdichtetet gebauten Zonen ist teuer. Das verändert die Gemeinschaft der dort Lebenden, einkommensgesteuert. Zudem sie müssen wieder näher beieinander wohnen. Enge herrscht wie schon in den Gassen alter Städte.
Den Wänden entlang stehen mannshohe Gestelle. Die darin gezeigten Werke sind gegliedert: Geschichte/Theorie, Städtebau, Alte Architektur, Baustile/Lexika, Architekturführer/Länder, Schweiz, Materialien, Bautechnik, Gebäudetypen, Ein-/Mehrfamilienhäuser, Wohnen. Rücken neben Rücken drängen sie sich aneinander, das macht das Anschauen schwer.
In einem kleinen Nebenraum liegen Designbücher, Architektur- und Designzeitschriften aus aller Welt auf. Ein Designer-Holztisch belegt fast die ganze Fläche des Raums. Es ist schade, dass die vielen Bücher die Tischfläche vollständig bedecken. Ich betrachte die Konstruktion der Beine und des Mittelträgers für die Tischplatte. Ein Kunstwerk.
Für die Auslage bleibt mir nicht mehr viel Energie. Ich schaue die eine und andere Zeitschrift an, blättere in Büchern, ohne etwas aufzunehmen. Ich bin müde vom Bildersturm im ersten Raum. Und ich spüre die Spannung, die sich daraus ergibt, dass ich als Nichtfachmann quasi auf der Strasse stehe und die gebotene Literatur im Hochparterre liegt. Es sind lauter Bücher, die für ein Fachpublikum geschrieben worden sind: Architekten, Designer, Stadtplaner.
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