Musik in der Altstadt
Michael Guggenheimer
„Konzert. Erster Montag im Monat: Nach Ladenschluss, 20 Uhr“. So die Ankündigung auf der Homepage des Notengeschäfts und Buchladens „Notenpunkt“ in Zürich. Und wirklich: Wenn der Laden am ersten Montag im Monat geschlossen wird, wird er gleich wieder geöffnet, kommen die Musiker, werden Stühle herbeigeholt, wird der schwarze Flügel etwas verschoben. Um 20 Uhr kann das Konzert beginnen, auf welches die Lokalmedien jeweils hinweisen. In Bad Ragaz stand in der Buchhandlung Schuler lange auch ein Klavier, auf dem sogar Kurgast Marcel Reich-Ranicki gespielt haben soll. Das war bis vor einem Jahr so. Beim Notenpunkt in Zürich steht das Klavier immer noch, wird er weiter stehen und können weniger bekannte und bekannte Musiker und Ensembles nach rechtzeitiger Anmeldung auch wirklich vor Publikum spielen.
„“Notenpunkt“ ist ein Eldorado für Musikfreunde. Dreimal gibt es „Notenpunkt“ in der Schweiz, dreimal im Herzen einer Stadt: Begonnen hatte “Notenpunkt” in Winterthur, gegründet im Jahr 2001 von Katharina Nicca. Das Mutterhaus liegt hier am Kirchplatz. In Zürich wurde vor elf Jahren an der Froschaugasse Ecke Synagogengasse ein zweiter Sitz eröffnet, in St. Gallen folgte im September 2014 die Eröffnung des Ladens an der Spisergasse. In St. Gallen gab es jahrzehntelang die gut dotierte Musikhandlung Hug an der Marktgasse. Legendär Notenhändler René Burtschi, der mit viel Geduld Ensemblemitgliedern auch Noten besorgte, die nicht sehr gängig waren. Notenhändler Burtschi lebt nicht mehr. Und Musik Hug hat die St.Galler Filiale geschlossen. Die Möglichkeit, Musiknoten bei Amazon und Weltbild per Mausklick am Computer zu bestellen, herunterzuladen und zu drucken, hat den lokalen Notenhandel in vielen Städten massiv durcheinandergewirbelt und schrumpfen lassen. Mut gehört dazu, in drei Städten ein Noten- und Musikbuchgeschäft zu unterhalten. Gross hat daher das St.Galler Tagblatt auf die Eröffnung des neuen Geschäfts aufmerksam gemacht. “Notenpunkt” in St.Gallen beginnt gleich mit qualifiziertem Fachpersonal: Ruth Steinestel, ehemalige Leiterin der Notenabteilung von Musik Hug in St.Gallen ist Abteilungsleterin im neuen Notenreich von „Notenpunkt“ an der Spisergasse.
Das Geschäft in Zürich ist ein besonderer Ort. Leise im Hintergrund klassische Musik. Musikalienhändler Andreas Steinemann hilft den Kunden bei der Suche nach Büchern und Noten. Und wer mag, kann sich an einem der runden Tische hinsetzen, Kaffee, Tee oder ein kaltes Getränk bestellen und sich Bücher und Noten holen und begutachten. Auch Musikliebhaber, die kein Instrument spielen und keine Partituren suchen, kommen bei “Notenpunkt” auf ihre Rechnung. Von Adorno bis Wagner, von der „Philosophie der neuen Musik“ bis zum Buch „Hand und Instrument“, finden sich hier so viele Musikbücher wie in keinem anderen Buchgeschäft in Zürich. Liedführer, Konzertführer, Opernführer und Musicalführer stehen da, Literatur zur Musik alter Zeiten, Komponisten- und Musikerpoträts. Ein Musikführer für Wen, ein ähnliches Handbuch für Dresden gefällig? Es gibt sie hier ebenso wie die Stuttgarter Bach-Ausgaben.
Die Noten im hinteren Raum sind nach Musikinstrumenten geordnet, auf einer Zetteln, die auf einer gläsernen Anschlagfläche kleben, können Musiker und Ensembles Musiker suchen oder Musikunterricht anbieten. Ansichtskarten zum Thema Musik, Musikspiele wie Musikdominos, Notenwürfelspiele, Musikinstrumente- und Komponistenquartette sind hier zu haben. Und auch Ländlermusik kommt hier nicht zu kurz. Dass nicht nur wissenschaftlich fundierte Literatur bei “Notenpunkt” zu haben ist, gibt dem Angebot eine Frische auch für junge Kunden aus dem nicht-klassischen Musikbereich. „Drummer gesucht“ heisst ein Jugendroman von Beate Dölling und Didier Laget, erschienen im renommierten Verlag Schott. Beim Verlassen des Ladens kaufe ich noch einen Schlüsselhalter mit zwei kleinen Drummersticks aus Holz und das Buch „22 Strategien für die erfolgreiche Gründung einer Rockband“ von Ian F. Svenonius , erschienen bei Walde+Graf. Zwei Geschenke für einen Drummer. Und nicht unerwähnt bleiben darf die Homepage. Zwar ist dort wenig über die Geschichte des Unternehmens zu erfahren. Hervorragend aber die Liste der bestellbaren Bücher und nützlich die Seite mit den Links zu Musikalienhändler, Ensembles und Konzerthinweisen.
“Notenpunkt”
Zürich Froschaugasse 4, T: 043 268 06 45
Winterthur Obere Kirchgasse 10, T: 052 214 14 54
St.Gallen Spisergasse 43, T: 071 220 30 80
www.notenpunkt.ch
Klangwelt
Heinz Egger
Froschaugasse – was für ein schöner Name, der nach Natur riecht und nach Froschkonzert tönt. Längst ist natürlich das Quaken verstummt und die Aue durch die Stadt verdrängt. Aber ebenda in dieser Altstadtgasse liegt der Notenpunkt. Ein Treffpunkt für all jene, die Musik machen und dazu Noten brauchen. Oder eine Komponistenbiographie. Oder eine spezielle Karte der Zürcher Fotografin Martina Issler (www.bildreich.ch). Oder einen ganz speziellen und atmosphärisch starken Ort, um einfach in einen der Sessel entlang der Fensterfront zu sinken und einen Kaffee zu trinken, oder einem Konzert nach Ladenschluss zu lauschen.
B-A-C-H. – Jeder liest den Namen des berühmten Komponisten: Bach. Aber es gibt eine weitere Lesart: die musikalische. Die vier aneinander grenzenden Tasten auf dem Klavier, eine Klangfolge, ein Notenbild. Vielleicht erinnert man sich an die berühmten Fugen über diese vier Töne von Schumann, Liszt oder Reger. Ein- oder mehrstimmige Musikstücke füllen ganze Bücher. Bei Notenpunkt findet man sie geordnet nach Komponist, Instrument, Musikgattung oder Aufführungsform in langen Gestellen. Metallene und viele handbeschriftete Kartonteiler ragen zwischen den Notenheften hervor und geben so leichteren Zugang zu den Werken. Wie schön ist es, sich mit einer Auswahl der Notenliteratur in der hellen Sitzecke beim „Hintereingang“ niederzulassen und, die Noten lesend, in ein Universum abzutauchen.
Wer hier etwas sucht, erhält fachkundige Hilfe durch die Musikalienhändler. 20 000 Artikel sind vorrätig. Und was nicht im Haus ist, wird bestellt. Bequem kann dies auch von daheim aus erfolgen. Notenpunkt betreibt eine Website, in der 300 000 Artikel verzeichnet sind. Je nach Lieferant trifft Bestelltes nach wenigen Tagen ein. Länger kann es dauern, wenn beispielsweise ein Notenbuch aus Übersee stammt.
Notenpunkt ist eine kleine Oase. Ein Teil der Räume liegt in der ehemaligen mittelalterlichen Synagoge. Es ist sehr ruhig und doch voller Leben und Farben.