Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Zellescher Weg 18, 01069 Dresden
T: +49 351 46 77 390
www.slub-dresden.de
Arbeit in meditativer Ruhe
Mit der Stadt Dresden assoziiert man so konträre Phänomene und Begriffe wie «Elbflorenz», «Exzellenzuniversität» TU Dresden, die Bombennacht vom 13. Februar 1945 sowie Pegida. Buchort hat indes Bibliotheken und Buchhandlungen im Fokus. Nach einem Besuch in der vorzüglich eingerichteten Stadtbibliothek im Stadtzentrum richtet sich das Augenmerk auf eine weitere Bibliothek von nationaler Ausstrahlung auf Stadtgebiet. Auch dieser Ort eine architektonische Perle, bei welcher der Eindruck von Grosszügigkeit und Weite herrscht.
Am östlichen Ende des Campus der TU Dresden auf dem Gelände eines ehemaligen Sportplatzes wurde im Jahr 2002 eine grosse Bibliothek errichtet. Der Name der neuen Bibliothek SLUB ist die Abkürzung für Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. Zwei Vorgängerbibliotheken wurden in ihr zu einem wegweisenden Bauensemble vereinigt: Die Sächsische Landesbibliothek, die bis im Zweiten Weltkrieg im Japanischen Palais und nachher in einer ehemaligen Militärkaserne untergebracht war sowie die Universitätsbibliothek, deren Bestände vor dem Umzug in den Neubau auf 65 Orten verteilt waren. Die Landesbibliothek, hervorgegangen aus den 1556 gegründeten kurfürstlichen Sammlungen, war auf geisteswissenschaftliche Werke und auf Regionalia spezialisiert, die Universitätsbibliothek hingegen auf Naturwissenschaften und Technik. Die zusammengelegte Bibliothek führt über fünf Millionen Bestandseinheiten. Zudem wurden hier mehr als 100 000 Bände digitalisiert und können in den digitalen Sammlungen genutzt werden. Für die Deutsche Digitale Bibliothek, die seit Ende 2012 online ist, ist die SLUB einer der größten Datenlieferanten.
Die vereinte Bibliothek ist sehr gross und bietet auf mehr als 40 000 Quadratmetern 1000 Leseplätze. Zwei Quader, «Türme», nennen sie die Bibliothekare, bilden die von aussen sichtbaren Teile der grossen Bibliothek. 212 Architekturbüros hatten sich seinerzeit am europaweiten Wettbewerb für die Realisierung der SLUB beteiligt! 25 kamen in die engere Auswahl. Das deutsch-österreichische Atelier O&O Baukunst von Manfred Ortner und Laurids Ortner mit Stammsitz in Wien und Büro in Düsseldorf hat die Bauten entworfen. Vom selben Büro stammen auch die herausragenden Bauten des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen in Duisburg, das einem Silo gleicht und Strenge ausstrahlt sowie das Museum Moderner Kunst in Wien.
Wer sich der Bibliothek nähert, sieht zwei leicht erhöht liegende massive streng gegliederte Gebäude, die einander gegenüberstehen, sie gleichen sich und stehen im Abstand eines Sportfeldes voneinander entfernt. Zwischen den beiden Bauten befindet sich ein unterirdischer Gebäudeteil, der mit Ausnahme eines Glasdaches über einem grossen Lesesaal – auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar ist. Im südlichen «Turm» sind u. a. die Büros der Verwaltung untergebracht; während sich im anderen Teil die öffentlich zugänglichen Benutzerbereiche wie die Ausleihe, das Buchmuseum, eine Cafeteria und die Veranstaltungssäle befinden. Da die meisten Teile der Bibliothek unterirdisch liegen, ist die beeindruckende Größe der Bibliothek von außen kaum erkennbar. Insgesamt zwei komplette Stockwerke befinden sich unter der ebenerdigen Etage.
Bräunlich rote Travertin-Natursteinplatten bilden die sichtbare Aussenhülle der beiden Bauten. Unterbrochen werden sie in unregelmässigen Abständen von schmalen Fensteröffnungen. Was von aussen zunächst wenig spektakulär daherkommt, erweist sich beim Betreten der Bibliothek als ein Ensemble von seltener Eleganz und hochdifferenzierter Konzeptionsweise. Erst im Innern wird einem deutlich, dass die Gestaltung der Wände draussen und drinnen dem Muster einer Bücherregalwand nachempfunden ist. Und beim Durchschreiten der Räume der Bibliothek wird einem plötzlich klar, dass sogar der durchgehend einheitliche Teppichbelag und der Fussboden des grossen Lesesaals thematisch bis hin zur Farbe das Muster von Bücherrücken variieren.
Braun- und Rottöne in unterschiedlichen Schattierungen prägen die Farben des Gebäudes, an manchen Stellen ist der Sichtbeton belassen worden. Die Büchergestelle in den Bereichen, die den Benützern zugänglich sind, sind aus Metall, die Stirnseite der Gestelle aber sind aus hellem Holz, was auch zum Farbenkonzept des Hauses und zur warmen Ausstrahlung beiträgt. Wie anders als in der Bibliothek der TU Cottbus, die von den Stararchitekten Herzog & De Meuron entworfen wurden, wo grelle Farben eine so andere Gestimmtheit evozieren. In Dresden eine beruhigende Gestimmtheit, in Cottbus eine starke Emotionalität hervorrufend.
Gleich beim Betreten der SLUB erstaunt den Besucher die grosszügige und künstlerische Gestaltung des Garderobenbereichs, wo poppig comic-hafte Figuren die Garderobenschränke zu halten scheinen. Man deponiert Taschen und Mäntel, begibt sich zu den Drehkreuzen und betritt den eigentlichen Bücher- und Lesebereich. Wo sich früher die Karteikästen befanden, mit denen man Buchtitel suchte, wurde ein sehr lockerer Bereich mit Tischen und Lesenischen eingerichtet. Hier geht es lockerer zu und her als in den folgenden Lese- und Arbeitsbereichen. Hier unterhalten sich die Benutzer. Was beim weiteren Begehen der Bibliothek auffällt, ist die unglaublich kreative Platzierung von Lesenischen in den einzelnen Bereichen der grossen Bibliothek. Man geht entlang den Regalen und staunt darüber, wie hier und dort Arbeitstische stehen, häufig an Stellen, wo man sie nicht erwarten würde, bieten sie fast individuelle Arbeitsbereiche, die wie abgeschlossen für sich wirken. Sind die Prüfungszeiten vorbei, ist es kein Problem, in der SLUB einen freien Tisch zu finden. Während es Semesters kann es aber eng werden. Denn täglich 5000 bis 6000 Studenten benutzen dann die Bibliothek. So viele sind es, dass an manchen Tagen sogar Klappstühle für die Benützer ausgeteilt werden müssen.
Architektonischer Höhepunkt der Bibliotheksarchitektur ist der zentrale Lesesaal. Der grosse Raum durchschneidet gewissermassen die drei Sockelgeschosse der Bibliothek. Der Raum ist hoch, er liegt unterirdisch, erhält aber von oben vom ehemaligen Sportplatz dank eines Glasdaches Tageslicht. Dieser Lesesaal mit seiner besonderen Stimmung, mit den rotbraunen Wänden und den vielen konzentriert und still arbeitenden Studenten und Dozenten strahlt eine besondere – fast möchte man sagen weihevolle – Atmosphäre aus. Auf fast 900 Quadratmetern bietet dieses Herz des Hauses 200 Arbeitsplätze. Wendeltreppen führen vom Lesesaal zu einer Galerie mit Bücherregalen. Um den zentralen Lesesaal sind mehrere kleine Lesebereiche angeordnet, darunter auch separate Arbeitsplätze, die ein ungestörtes Arbeiten ermöglichen. Neben diesem grossen Lesesaal liegen östlich und westlich zwei weitere Säle, die über zwei Stockwerke reichen. Massiv und stilvoll ist das Mobiliar der Bibliothek, ausgesucht wurde es vom Architekturbüro. Es fällt auf, dass die Arbeitstische in den Lesebereichen Netzanschluss und Anschlussmöglichkeiten für Computer besitzen. Unglaublich reich bestückt ist die Zeitschriftenabteilung. Besondere Teile der Bibliothek bilden die Bereiche der Deutschen Fotothek, der Kartensammlungen und die Phonothek. Als das Allerheiligste gilt das Buchmuseum mit seinen bibliophilen Schätzen. „Die SLUB», so Architekturtkritikerin Ingeborg Flagge, «gehört ohne Zweifel zu den beeindruckendsten Dresdner Neubauten der letzten Jahre. Die strenge Ordnung und die meditative Ruhe der Baukörper vermitteln jene Ausgeglichenheit, die einer Lern- und Forschungseinrichtung eigen sein sollte.»
Unter Tag
SLUB – ein „flutschiges” Wort, bei dem wohl niemand gleich auf einen Bibliotheksnamen schliessen würde. Kurz nennt sich so die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek in Dresden. Von weitem sieht der Besucher auf einem Hügel einen Turm durch die Bäume. Seine Fassade scheint wie begrünt, besonders nach einem Regenguss. Es ist aber die Farbe des rauen Kalksteins, mit dem die Fassade belegt ist. Die Strukturen und die wenigen unregelmässig verteilten hohen Fenster erinnern an ein getarntes militärisches Gebäude oder an eine Lochkarte. Hinter dem ersten steht ein zweiter gleich gestalteter Turm. Beide Gebäude gehören zur Bibliothek. Sie enthalten aber die Verwaltung, ein kleines Bistro, die Buchbinderei und das Buchmuseum. Die Bibliotheksräume selbst sind alle unterirdisch.
Durch einen Einschnitt im Hügel, wie durch einen Wall, gelangt man auf einen Vorplatz, unter Säulen durch zum Eingang. Nach den automatischen Schiebetüren öffnet sich eine grosse, helle Halle. Alles ist weiss. Nach links geht es zu den Garderobenschränken und zur Treppe zum Bistro und zum Buchmuseum. Die Garderobe besteht aus 140 dunkelgrauen Kuben mit je 16 Schränken. Acht grosse, acht kleine. Da gibt es für 2240 Personen einen Ort für Mäntel und Taschen! Schlüssel mit schweren Anhängern aus Metall, einer Platte und einer kugeligen Verdickung mit Gummiring, wie sie viele Hotels noch haben, stecken in den Schlössern. Geradeaus führt der Weg durch eine Personenvereinzelungsanlage mit drei Drehkreuzen und einer breiten Drehpforte für Rollstuhlfahrer in die Bibliotheksräume hinein. Nach rechts erreicht man eine weisse Theke für allgemeine studentische Informationen, die Medienrückgabe und den Ausgang aus den Bibiliotheksräumen mit Informationstheke und Schranken, damit keine Bücher, die nicht ausgeliehen sind, das Haus verlassen.
Vor den Drehkreuzen erinnert eine grosse Stele an das „Reinheitsgebot” der Bibliothek. Natürlich wird dieses Reinheitsgebot mit Bier in Zusammenhang gebracht. Aber genau das ist nicht erlaubt, die Hopfenblüte auf der Stele ist durchgestrichen. Ebenso die Hefe, was hier wohl heisst, nichts Essbares mitbringen, ebenso der Malz, was wohl heisst, nichts Süsses mitnehmen. Einzig das Wassersymbol ist nicht gestrichen.
Die Bibliotheksräume verteilen sich auf drei Etagen und liegen um den zentralen Lesesaal, der auf Ebene -2 liegt. Nach den Drehkreuzen steht man in einem weiten Raum, SLUB-Forum genannt, in dem Zusammenarbeit angesagt ist. Bildschirme mit vier Stühlen für eine Sitzung oder Besprechung mit visuellem Austausch. Tische, Bänke und Stühle, getrennt durch schallschluckende Wände. Die Einheiten sind mobil. Damit der Anschluss an die Welt nicht verloren geht, gibt es WLAN und von der Decke baumeln gelb leuchtende Quader mit Steckdosen für Mobilgeräte.
Auch eine der Wissensbars steht da. Die Nummer zwei. Diese für zwei Personen ausgelegten Plätze können für ein Beratungsgespräch online gebucht werden. Ein QR-Code gibt schnellen Zugang zur Buchungsplattform. Dort gilt es nur noch zwischen drei Hauptthemen (Schreiben/Publizieren, Lernen/Forschen und Technik/Technologien) mit zahlreichen Unterbereichen auszuwählen, ein Zeitfenster anzuklicken und schon erscheint der Treffpunkt als Link, der auf einem 3D-Modell der Bibliothek genau anzeigt, wo der Ort liegt.
Beim Umrunden des zentralen Lesesaals auf der Ebene 0 gibt es immer wieder fantastische Blicke in die architektonische Gestalt des Gebäudes und auf die Materialien, beispielsweise auf die Galerien der Ebene -1 mit ihren filigranen Geländern aus Metall und hölzernem Handlauf oder auf der gleichen Ebene in die oben offenen Arbeitszellen, Carrels genannt, von denen es 46 gibt, oder auf die lange Reihe von Lesesofas auf der untersten Ebene. Der zentrale Lesesaal ist drei Stockwerke hoch. Die Scheiben ermöglichen den Blick in sein Inneres, aber nur verschwommen, denn die Gläser der Fenster verzerren das Bild.
Die Grundstruktur des Gebäudes besteht aus Beton, was immer wieder sichtbar ist. Der zentrale Lesesaal aussen und die Säulen um ihn herum sind mit einem Material eingepackt, das an mitteldichte Faserplatten, kurz MdF, erinnert. Die freistehenden Büchergestelle bestehen aus grauem Metall, die Stirnseite trägt eine Platte aus dem gleichen holzähnlichen Material. Gestelle den Wänden entlang sind ganz aus dem Fasermaterial aufgebaut. Licht und Material ergeben eine sehr warme Stimmung, allerdings auch etwas dunkel, stellenweise gar düster. Teile der Betondecken überzieht ein unregelmässiges kassettenartiges Muster. Über den unzähligen Arbeitsplätzen leuchtet die tiefer gehängte Decke schneeweiss.
Der Eintritt in den zentralen Lesesaal entlockt einem ein Staunen. Diese Grösse, diese Höhe, diese Zahl von grosszügigen Arbeitsplätzen, die umlaufende Galerie, die Wendeltreppen, das kühle Licht der milchig leuchtenden Tageslichtdecke. – Modern, grosszügig und doch an die Säle alter Bibliotheken erinnernd. 200 Arbeitsplätze bietet der Saal. Die Wände der untersten Ebene und der Galerie sind mit Bücherregalen belegt. Fast jedes Fach ist voll, alles Referenzbücher, Bibliographien, Kataloge.
An den vier Ecken aussen am zentralen Lesesaal verbindet ein Treppenhaus die Ebenen. Darin ist es düster, grau. Einzig die grossformatigen Kunstwerke geben etwas Leben darin.
Es ist sehr ruhig. Nur wenige Leute arbeiten in der Bibliothek. Die Prüfungen sind vorbei, nun haben Studierende Zeit Ferien zu machen. Gemessen an den unzähligen Garderobenkästchen wird während des Semesters in der Bibliothek ein grosses Gewusel herrschen. Das Gerangel nach einem freien Arbeitsplatz wird gross sein. Und es ist wohl nicht angezeigt, den Platz länger unbenutzt zu lassen, weil man sich für einen Kaffee in die Cafeteria Bib Lounge oder für Entspannungsübungen in den Raum der Stille zurückziehen möchte.
Neben unermesslichen Buchbeständen, die alle selbst aus den Gestellen geholt werden können, wartet die Bibliothek noch mit zahlreichen Sammlungen auf, so die Deutsche Fotothek, Saxonica, Handschriften, Nachlässe, (Land-)Karten, seltene und wertvolle Drucke.
Die SLUB digitalisiert selber Bestände. So sind beispielsweise via Internet Handschriften und Musikalien und das Archiv der Dresdner Oper zugänglich und ein spezielles Werkzeug erlaubt das Ansehen, Kombinieren und Vergleichen von Karten im Virtuellen Kartenforum. Das funktioniert sogar mit Zürich, Bern oder Genf!