Soda Books, München (D)

Im Magazinparadies

Michael Guggenheimer

Ida Maria Heinzel fragt auf ihrer Blogseite: «Wen wirst du hier treffen?». Und sie gibt gleich zur Antwort: «Magazine, die so schön und inspirierend sind, dass man sie einfach mitnehmen muss!» Mit «hier» meint sie den Magazinladen Soda Books unweit vom Gärtnerplatz in München. Timea Lukacs ergänzt im Netz: “What an amazing store! I could spend a fortune here. The great music and friendly staff were an unexpected plus.” Und Anne-Katrin Rupprecht fügt an: “Mein Lieblingsshop in München für alle Modemagazine, die man sonst nirgends bekommt! Tolle Auswahl und nette Beratung!». «Super Bücherauswahl und tolle Atmosphäre!», ergänzt Jakob Layer.

Riesige Magazin-Auswahl

Ich kenne alle diese Leute nicht. Aber ich kann mich ihnen anschliessen. Soda Books an der Rumfordstrasse in München ist eine besondere Adresse, ist ein supercooler Laden. Grosse Schaufenster, der erste Eindruck erinnert an eine Galerie. Die Büchergestelle sind leicht schräg, die ausgestellten Magazine schauen einen mit dem Cover an. Ein erster Raum gleich hinter den beiden Schaufenstern, dann folgt ein schmaler, langer Gang, an dessen Ende sich eine hohe Spiegelwand befindet, der ideale Ort für Selfies! Man meint wegen des grossen Spiegels, der Laden sei grösser als er in Wahrheit ist. Und doch ist er es: Denn am Ende des Gangs befindet sich noch ein weiterer Verkaufsraum.

Soda Books ist ein ungewöhnlicher Laden, vergleichbar mit dem Magazinteil von Athenaeum Boekhandel am Singel in Amsterdam. Hier wie dort finden sich spezielle Magazine aus dem Designbereich in einer Fülle, die man weder an einem grossen Bahnhofskiosk  – und die sind in Deutschland reich bestückt – noch in anderen Bücherläden antrifft. Es sind grossformatige Magazine, nicht selten ein Kilogramm und mehr schwer, exklusiv bebildert, meistens mit englischen Texten, auch wenn das jeweilige Magazin aus Berlin oder Paris stammt. Manche dieser Publikationen erscheinen viermal im Jahr oder zweimal und sie werden von DHL Kurieren in schweren Paketen gebracht, so schwer manchmal, dass Ladenbesitzer Sebastian Steinacker beim Runterladen vom Transporttrolley Hand anlegen muss.

Inhaber Sebastian Steinacker in seinem Reich

Seit 2004 existiert Soda. Steinacker kommt von der Modebranche und kennt sich mittlerweile so gut im Magazinmbereich aus, dass er zukünftige Publizisten, die mit Fragen im Laden erscheinen, berät. Unglaublich die Anzahl der Magazintitel, die Steinacker führt, 400 Titel führt er im Katalog: Dazu gehören Titel wie Frame, Rum, Carcy, Suitcase, Borshch, Hercules, idN, Men’s File, Nomad, ideat, The Forecast. Von jeder Ausgabe liegen gleich mehrere Exemplare auf. Die Liste liesse sich verlängern. Und ich gebe zu, dass ich ausser Forecast keines dieser Magazine zuvor gesehen habe. An der Wand hinter der Kassentheke und der Länge des Gangs entlang hängen grossformatige Fotografien von Daniel Sommer, der für das Magazin slanted in Ruanda weilte und dort nach Modeaufnahmen Menschen auf den Strassen und in den Höfen der Hauptstadt Kigali fotografiert hat. Das Besondere: Die Fotos wurden auf Kartoins, Planen und Textilien gedruckt.

Breit ist das Themenspektrum der Magazine: Mode, Landschaften, Menschen, Reisen, Schmuck, Möbel, Typografie, Kunst, Tattoo, Papercraft, Architektur, Erotik und Kunst. «Das Bild ist der rote Faden der Magazine», sagt Steinacker. Die Magazine, die er führt, so sein Anspruch, müssen hervorragend gestaltet sein, sie sollen kleine Kunstwerke sein, die Typografie ist ihm wichtig. Die Sprachen dieser Magazine sind Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch. Magazine in anderen Sprachen seien nicht leicht abzusetzen. Vier Jahre lang gab es Soda Books auch in Berlin, mittlerweile wurde die dortige Filiale geschlossen, Läden wie Motto, Do you read me und Ropsa Wolf würden in Berlin ähnliche Magazine führen. Weder in Frankfiurt noch in Hamburg gebe es einen vergleichbaren Laden, der ein so grosses Angebot an Lifestyle- und Designzeitschriften führe. Wer denn seine Kunden seien, frage ich Geschäftsführer Steinacker. Designer aller Stilrichtungen, Fotografen. «Hier holen sich die Leute Inspirationen. Im Printbereich gibt es immer mehr hervorragende Produkte“. Der Grossteil der Kunden sei zwischen 24 und 35 Jahre alt, tendenziell mehr Kundinnen als Kunden, nicht wenige seien Instagramnutzerinnen.

Die Hälfte des Umsatzes generiert Steinacker mit Magazinen, die andere Hälfte mit Designbüchern. Im vorderen Ladenteil sind die aktuellen Ausgaben der Magazine. Erscheint eine neue Ausgabe, wandert die bisherige in den hinteren Ladenraum. Logistisch sei man mit einem Magazinladen gefordert, meint Steinacker. Denn der Umlauf der Zeitschriften sei sehr schnell.  Und damit klar ist, dass die erwähnten Titel nur eine kleine Kostprobe darstellen, seien hier noch einige weitere angefügt: Kinfolk, Elephant, Kitchen Toke, Little White Lies, Les Others, Openhouse, Cabana, Cereal, Design Anthology, Toc Toc,Toc und Ernest.

Soda Books
Rumfordstraße 3
80469 München
T: +49 89 20245353
http://sodabooks.com/

Spiegel der Welt

Heinz Egger

Aus der Ferne leuchtet ein weisses Schild. Darauf steht in roten Kleinbuchstaben soda. Der Punkt ist Teil des Namens. – Was da wohl verkauft wird? Sprudelndes, Erfrischendes? Nein, oder nur in einem übertragenen Sinn. Es ist Gedrucktes, geheftet, geleimt oder gebunden. Beim ersten Blick durch das Schaufenster glaubt man in einen sehr langen Gang zu blicken, bis man merkt, dass diese Länge durch einen Spiegel entsteht. Ein heller, sehr hoher Eingangsraum empfängt den Besucher. Von diesem zweigt ein schmaler Gang ab, der sich weiter hinten zu einem zweiten grösseren Raum weitet.

Alles ist weiss. Wände, Decken, Pfeiler. Der Boden ist dunkelgrau und glatt. Einzig das Treppengeländer, das im hinteren Raum in den Keller führt, glänzt schwarz. Starke Strahler erhellen den Raum. Das Licht scheint die Länge und Breite zu dehnen. Die Linien der dicken weissen Regalbretter, die direkt an der Wand befestigt sind und frei in den Raum ragen, tragen ebenfalls zu diesem Eindruck bei.

Im vorderen Raum liegen ausschliesslich Magazine auf. Einige sind allerdings gebunden. Dies sei eine neuere Entwicklung, sagt der Inhaber, Sebastian Steinacker. Die Hersteller der Magazine suchen ihren Produkten einen Mehrwert zu geben, indem sie mehrere Ausgaben zu einem Buch binden. So wird sie der Käuferschaft eher kaufen und auch länger behalten, als wenn da alle paar Monate ein einzelnes Heft herauskomme. Solche Bücher wiegen ganz schön schwer.

Ich fühle mich etwas verloren. Die meisten Leute, die im „soda.” verkehren, kommen mit einem bestimmten Thema vorbei. Natürlich gebe es auch Magazine, die allgemein seien, sagt Sebastian Steinacker. Die meisten aber sind themenspezifisch. Die Ordnung ist gut auf der Website sodabooks.com ersichtlich. Kaum ein Thema gibt es, das nicht seine eigene Publikation hat. Der Blick ins Angebot ist wie ein Spiegel unserer Welt.

Der hintere Raum, Bild aus Ruanda an der Wand

Bevor ich mich in die Auslage stürze, betrachte ich lange die grossen Bilder an den Wänden. Sie sind auf gebrauchten Karton oder auf Holztafeln gedruckt. Bilder aus Ruanda sind es. Der Fotograf Daniel Sommer fotografierte Leute in Ruanda. Die grossformatigen Aufnahmen und Bildträger stehen in starkem Kontrast zum klinischen Weiss der Räume. Dadurch entsteht eine grosse Spannung. Die Bilder, gedruckt auf festem satiniertem Papier, und die Geschichte dahinter in einem rückengeleimten Magazin hat der Verlag „Slanted Publishers” herausgegeben. Diesem Namen werde ich beim Rundgang durch den Laden noch öfters begegnen.

Der lange Gang mit dem Spiegel am Ende

Mich zieht es in den schmalen Gang und zum Spiegel. In dem hinteren Raum umwallt mich ein intensiver Duft von frischer Druckware. Dort stosse ich auf eine grosse Anzahl von Werken – hier weniger Magazine als Bücher – über Grafikdesign. Zu dieser Kategorie listet das Internet: Muster, Pflanzen, Visitenkarten, Logo-Design, Informationsgrafik, Verpackungsdesign, Editorial Design (für Magazine und Zeitungen), Farbgestaltung, Orientierungssysteme, Geometrie. Mir sticht ein schwarzes Buch in die Augen, auf dem ich das Logo der SBB erkenne. Es ist das Gestaltungshandbuch für die Schweizerischen Bundesbahnen von Josef Müller-Brockmann, erschienen bei Lars Müller Publishers 2019. Ich blättere fasziniert darin. Es ist lehrreich, die Konstruktionen, die hinter dem Logo, den Gleisnummern und den Piktogrammen stehen, zu betrachten. Erst der Nachdruck des Handbuchs bei Lars Müller machte dieses weltweit unter Designern bekannte Werk der breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Prominent steht auf Augenhöhe ein weiteres schwarzes Werk. Darin erläutert Steven Heller, wie die Diktaturen des 20. Jahrhunderts sich visuell dargestellt haben – sei es in Deutschland, Italien, Russland oder China.

In der Mitte des Raums stehen drei Rollgestelle, die beidseitig bestückt sind. Dort entdecke ich auf meinem Rundgang das erste einer ganzen Reihe von Büchern über nachhaltiges Leben. Auch dieses ist schwarz und heisst „Reparatur | Repair”. Im Untertitel lese ich „Anstiftung zum Denken”. Es handelt davon, wie Defektem ein zweites Leben gegeben werden kann.

Am Gestell mit den Magazinen über Mode für Männer und Frauen vorbei ziehe ich weiter, sehe Bücher und Magazine übers Bauen, Gestalten von kleinen Innenräumen, umweltbewusstes Reisen und ein schneeweisses Buch mit dem schwarzen Titel „This is a Good Guide”. Es widmet sich dem nachhaltigen Lebensstil.

Bemerkenswert sind die vielen Namen der Magazine, zum Beispiel Apology, Art is not Flat, Bite Me, Boneshaker, Capricious, Dull, Flaneur, Gurls with Curlz, Highsnobiety. Wie diese Titelbeispiele zeigen, ist Vieles auf Englisch. Die Website listet über 440 Titel! Sie stammen aus über 50 Verlagen.

„soda.” erfrischt mit seinem Konzept, der Raumgestaltung und dem unendlich breiten Angebot.