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Bibliothek Zug, Zug

 

Hier ist gut Lesen

Michael Guggenheimer

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie der damalige Bibliothekar mich beim zurückbringen der ausgeliehenen Bücher nach deren Inhalt ausfragte. Schon damals, ich war Schüler am Gymnasium, schämte ich mich nicht, wenn ich ein Buch, das mich zu langweilen begann, nicht fertig gelesen habe. Bibliothekar Hans Koch, stets im weissen Ärztekittel, als müsste er gleich die Lunge abhören, mochte Gymnasiasten nicht, die Bücher nicht zu Ende gelesen haben. Ich sehe noch jene Karteikästen, die man mit angefeuchtetem Spuckfinger mühsam Karte für Karte durchsah, um Büchertitel zu entdecken, die man mit nach Hause nehmen könnte. Bibliothekar Dr. Koch stand am Ausleihschalter, hinter ihm waren hohe Bücherregale zu sehen, manchmal kam ein Assistent im hellblauen Arbeitsmantel von hinten und legte die bestellten Bücher auf einen Tisch, um gleich wieder mit Bestellzetteln in der Hand nach hinten im Magazin zu verschwinden. Man wartete vor dem Schalter bis der Mann in Hellblau die gewünschten Bücher brachte, es konnte auch durchaus vorkommen, dass Bibliothekar Koch einem die Ausleihe eines Buches verwehrte. Wohl weil man noch zu jung war, vielleicht aber auch weil das Buch nicht katholisch genug war.

Stadbibliothek Zug, Aussenansicht

Über fünfzig Jahre später bin ich wieder in der Stadtbibliothek Zug. Es ist eine andere Welt, obschon die Häuser an der St. Oswaldgasse dieselben sind wie damals. Nur heller sind sie, vielleicht auch putziger. Die Bibliothek befindet sich nicht mehr in den oberen Stockwerken eines Hauses an der Aegeristrasse gleich neben der steilen gedeckten Treppe zum früheren Kapuzinerkloster. „Bibliothek Zug“ heisst die Institution heute. 1986 wurde die damalige Stadt- und Kantonsbibliothek Zug an der St. Oswaldsgasse / Ecke Zugerbergstrasse im ursprünglich als Kornhaus genutzten und später als Kasernengebäude verwendeten Bau eröffnet. Das alte Gebäude im spätgotischem Stil präsentiert sich in seiner Aussenhülle wie ein Gebäude aus früheren Jahrhunderten, während es in einem Anbau auf dem früheren Kasernenplatz eine Erweiterung erhalten hat.

Man betritt das Gebäude und staunt über die vielen Veranstaltungsplakate und Flyer. In der Stadt Zug ist kulturell viel los. Ein Ticketschalter für kulturelle Manifestationen befindet sich gleich neben der Theke der Bibliothekarinnen. Grosszügig wirkt das Erdgeschoss mit seinen reichen Beständen an Belletristik. An drei Wänden Romane und Erzählungen von A wie Abonji und Allende bis Y und Z wie Yates und Zweig. Anstelle eines Anfangbuchstabens sind Autorennamen oben an den Regalen zu sehen. Welch’ eine andere Luft in dieser Freihandbibliothek im Vergleich zu Hans Kochs Magazinbibliothek von einst! Der ganzen Länge der Belletristikgestelle entlang liegen in eigenen Tablaren Hörbücher der jeweils im selben Büchergestell präsentierten gedruckten Bücher. Man geht den vielen Romanen entlang und staunt darüber, dass manche Bücherrücken Aufkleber tragen wie „Bewährte Unterhaltung“, „Frauen“, „Kritische Unterhaltung“ oder „Liebe“. In der Mitte des Raumes, der ein Lichthof ist, steht ein mächtiger Baum, ein Ficus Benjamini. Er ist seit der Eröffnung im Haus und wird jährlich gestutzt. Dafür ist ein ganzer Trupp Gartenarbeiter nötig, die mit Leitern und Seilen die Äste kürzen. Nebenan auf einem grosszügig ausgestatten Tisch die Novitäten aus den Bereichen Belletristik und Kunst. Von oben kommt durch das Glasdach des Lichthofs viel Licht hinein, eine Sitzgruppe, Tische und Stühle, hier ist gut Lesen! Gleich nebenan der Zeitungs- und Zeitschriftenraum mit Zeitschriften bestückt, die man in Bibliotheken gleich grosser Städte in der Schweiz nicht unbedingt antrifft: brandeins, Rolling Stone, traverse, Foto Forum, Stimmen der Zeit. Und natürlich fehlen hier nicht The Economist, die Financial Times, die New York Times sowie der Corriere della Sera, Le Monde und das Time Magazine.

Merkt man der Bibliothek an, dass man sich in einer auch für Schweizer Verhältnisse wirklich sehr wohlhabenden Stadt befindet? Nach langem Flanieren durchs Haus meine ich nein. Woran würde man so etwas merken? Am besonders teuren Mobiliar? Her nicht vorhanden. An Lesenden, die teuren Schmuck tragen? Hier nicht angetroffen. Die Atmosphäre in der Bibliothek gleicht derjenigen in anderen städtischen Bibliotheken. Am Donnerstagvormittag gehören ältere Leserinnen und Leser zu den Besuchern des Hauses. Und weil gerade Ferienzeit ist, hört man vom ersten Stock, wo sich die Kinder- und Jugendbücher befinden Kinder, manche in Begleitung ihrer Mütter. Das zweite Stockwerk beherbergt die Reisebücher, zu denen auch die Wanderführer gehören. Zudem befinden sich hier auch die fremdsprachigen Bücher. Wohl weil die steuergünstige Stadt Zug eine ansehnlich grosse Zahl von Expats beherbergt, sind hier viele englischsprachige Bücher in den Büchergestellen. Ausgediente Sessel einer früheren IC-Zugskomposition laden inmitten der Reisebücher zum Lesen oder Auswählen von Reiseführern und Wanderkarten ein. Auf einem grosses Globus kann man Reiserouten planen. Man sieht sich um und staunt, dass hier weder im Reisebereich noch bei der Belletristik Studenten an der Arbeit sind, obschon hier Tische vorhanden sind. Auf jedem Tisch Notizzettel und Bleistift, um sich Signaturen oder Titel zu merken.

Lesesaal im alten Zeughaus

Danach befragt, ob Studenten denn hier nicht willkommen seien, nicht zum Lesepublikum gehören, beschreibt Bibliothekar Stefan Hauser an der Informationstheke im Lichthof den Weg zum grossen Lesesaal: Man verlässt das Haus, überquert einen weiten Platz oberhalb der Bibliothek und geht auf das ehemalige Militärzeughaus zu, wo im Erdgeschoss ein langer Lesesaal eingerichtet wurde. Wo einst Militärfahrzeuge standen, sitzen jetzt Studenten in einem hellen grossen Raum an Arbeitstischen, lesen, lernen, machen Notizen, kopieren und konsultieren ihre Laptops. Bis es ihrer zu viele waren, waren früher die Studenten im heutigen Raum der Reiseliteratur der Bibliothek Zug an der Arbeit. Zug liegt zwischen Zürich und Luzern, die Studenten sind da wie dort an den Hochschulen immatrikuliert, viele lernen und arbeiten im modernen Lesesaal im ehemaligen Zeughaus.

Gemalte Herbstblätter scheinen auf der Emporenwand des Lesesaals über den Köpfen der Lesenden zu schweben. Kunst am Bau auch im Eingangsbereich der Bibliothek sowie im Zeitschriften- und Zeitungsraum. Albert Merz, der aus Unterägeri im Kanton Zug stammende und seit langem in Berlin ansässige Maler, hat hier zurückhaltend farbige Kunst am Bau realisiert. Keine fliegenden Bücher, keine Buchstabenkombinationen, eher ein buntes Bilderband, ein symbolbeladener Bilderfries, ein Gewirr von Gegenständen darstellend, die vielleicht aus einem Roman, aus einer Erzählung der Bibliothek stammen könnten. Welch ein Kontrast dazu die Gewölbemalerei von Andreas Walser im Zeitschriftensaal, wo Schwarzblau, Purpurrot und Gold überraschen. Die etwas schwer und konventionell wirkende Deckenmalerei erinnert an alte Handschriften, deren Anfangsbuchstaben von Mönchen verziert wurden.

Bibliothek Zug
Sankt-Oswalds-Gasse 21
6300 Zug
T: 041 728 23 13
www.bibliothekzug.ch

 

 

Grosszügig angelegt

Heinz Egger

Nein, es ist nicht das alte Schulhaus an der Strassenkreuzung Artherstrasse – Zugerbergstrasse, sondern jenes gleich an der nächsten Querstrasse, der St.-Oswalds-Gasse. Trutzig sieht es von aussen aus, gedrungen und ziemlich hoch. Es sei einst als Kaserne genutzt worden, erzählt Stefan Hauser, Bibliothekar und Verantwortlicher für die Zuger Sammlung. Von dieser Vergangenheit ist aber kaum mehr etwas zu sehen. Schon die Nutzer vor der Bibliothek haben kräftig umgebaut. Durch einen Rundbogen mit Glastür gelangt man in einen Vorraum, der ringsum mit kleineren und grösseren Plakaten, Hinweisen auf Veranstaltungen bedeckt ist.

Eingangshalle mit erster Etage der Kinder- und Jugendbibliothek

Durch eine weitere Tür betritt man die Bibliothek. Eine grosse Halle öffnet sich vor dem Eintretenden. Hier könnte einst das Waffenlager gewesen sein, stellt sich der Besucher vielleicht vor. An der Wand gegenüber der Tür prangt ein grosses Kunstwerk, blaue Flächen mit schwarzen Zeichnungen darauf: Ein Mensch bis zur Brust, ein Haus im Haus, eine wacklige Leiter, rechteckige Flächen, ein gebogener Pfeil – oder eine verbogene Speerspitze … Das Werk stammt von Albert Merz. Er zauberte es während der Ostertage 1988 an die Wand. Und als Fries unter der Decke entlang mit Farbflächen – gelb, rot, blau. Darauf mit Schwarz sind die Figuren des blauen Werks wiederholt.

Über die Brüstung hinab sieht man eine schwarze Theke mit der Vorverkaufsstelle für Theater- und Konzertkarten. Sie ist umgeben von Büchergestellen, in denen neu angeschaffte Sachbücher ausgestellt sind. Links von der Verkaufsstelle ist die Information und Ausleihe der Bibliothek. Eine Treppe führt hinab. Vis-à-vis der Treppe ragt ein geschwungener Balkon mit farbigen Sitzmöbeln in den Raum. Er gehört zur Jugend- und Kinderbibliothek. Unten an der Treppe ist Platz für einen Tisch mit Stühlen und dahinter an der Wand leuchtet rot und weiss die Rückgabestelle für Medien und Bücher. Freistehende Buchstaben oben auf dem Gestell auf Rollen weisen darauf hin. Ein grosser Bildschirm weist an, was zu tun ist. Es ist einfach: Was zurückgegeben werden soll, ins Gestell legen – der Chip wird automatisch ausgelesen und das Medium zurückgebucht. Auf dem Bildschirm erscheint die Anzeige der erfolgreichen Operation.

Am Tisch vorbei nach links liegt der Zeitschriftensaal. Dort ziehen bunte Malereien und glänzendes Gold das Auge nach oben. Andreas Walser das hohe Gewölbe des Raums 1987 bemalt.

Den Wänden entlang laufen einfache weisse Gestelle aus Metall. Sie tragen die Zeitungen und Zeitschriften. Es sind viele! Im Raum stehen vier runde Tische. An jedem sitzt jemand und liest. Es ist still, nur gewendete Seiten rascheln. Wer sich über die Tagespolitik informieren will, findet hier reichlich Information, die Politisches, Wirtschaftliches und Wissenschaftliches von verschiedenen Warten aus beleuchtet. So findet sich die Weltwoche neben der WOZ, die Innerschweizer Zeitungen neben der Süddeutschen und der New York Times, die grossen Zürcher Zeitungen neben Le Temps und Le Monde.

Durch den zweiten Durchgang des Lesesaals gelangt man in den runden Treppenhausturm. Dort stehen auch die Metallkästchen für Rucksäcke und Taschen, die nicht in die Bibliothek mitgenommen werden dürfen.

Blick von der ersten Etage (Kinder- und Jugendbibliothek) ins Erdgeschoss, riesiger Ficus

Die eigentliche Freihandbibliothek findet sich aber im 1986 angebauten, fast quadratischen Gebäude. Das Dach ist verglast und gibt so dem Raum prächtige Helle. In der Mitte steht fast wie in einer Oase ein haushoher, kräftiger Strauch. Den Wänden entlang sind die Bücher der Belletristik nach Autoren eingeordnet. Oben an den Gestellen prangen Namen zur Orientierung: Pamuk, Pessoa, Powers … Davor locken in freistehenden Gestellen die Sachbücher zum Schmökern ein. Die Ordnung folgt der allgemein verwendeten Dezimalklassifikation. Herausgehoben und extra angeschrieben sind bei der einen Wendeltreppe zur Galerie die Thriller und Abenteuergeschichten. Natürlich gibt es auch eine grosse Abteilung mit Filmen und Musik. Sechs Recherche-PCs mit Zugang zum Internet stehen an grossen Arbeitstischen bereit. Die Website der Bibliothek ist sehr übersichtlich gestaltet. Von hier aus kann im Online-Katalog gesucht, das eigene Konto bewirtschaftet oder über die Quicklinks können weitere Angebote der Stadt Zug erkundet werden. Unter den grossen Navigationsschaltflächen dreht sich ein Bücherkarussell. Die Covers der neuesten Bücher werden gezeigt, beispielsweise Kathy Zarnegin „Chaya“, Viveca Stern „Mörderische Schärennächte“, China Miéville „Dieser Volkszähler“.

Die Neuanschaffungen sind via Quicklink schnell aufgerufen. Sie sind in Kategorien eingeteilt: Belletristik Erwachsene, Belletristik Kinder & Jugend, Belletristik fremdsprachig, Comic, Sachbuch Erwachsene, Sachbuch Kinder & Jugend, Hörbuch Erwachsene, Hörbuch Kinder & Jugend, Musik-CD, Film, Zuger Medien, andere Medien.

Der Link „Top 20“ im Katalog führt wieder kategorisiert wie bei den Neuanschaffungen zu jenen Medien, die am häufigsten ausgeliehen worden sind. Zuoberst bei der Belletristik für Erwachsene steht Martin Suters „Montecristo“. Das Buch wurde 2015 angeschafft und seither 136 mal gelesen. Bei der Belletristik Kinder & Jugend steht zuoberst Jeff Kinneys „Gregs Tagebuch 10 – So ein Mist!“. Das Buch wurde ebenfalls 2015 angeschafft und 178 Mal ausgeliehen.

Zwei Wendeltreppen führen zur Galerie hinauf. Dort ist das Paradies der Bücher und Medien für die Kinder und Jugendlichen. Ein wunderbarer Ort, um zu verweilen. Farbige Sitzgelegenheiten, angepasst auf die Grösse der Leseratten, kleine Tische mit einem kleinen Steller darauf, die aufs Gratis-Internet hinweisen, eine grosszügige Ecke mit einer stoffbezogenen Treppe, Kissen und grossen Stofftieren ist sicher der Ort der Kleinsten. Dort kann die Mutter ihrem Kind gleich die Geschichte im Pappbilderbuch erzählen.

Die Rundtreppe im Treppenhausturm führt in den zweiten Stock des alten Baus. Dort geht hin, wer verreisen möchte. Ein grosser Wegweiser, gestaltet wie ein Wanderwegweiser mit gelben Schildern mit schwarzer Schrift weist den Weg im Raum: Reisen in Asien, Afrika, Ozeanien, Amerika. Aber auch aufs Sprachenlernen und auf die fremdsprachige Literatur wird hingewiesen. Letztere gibt es auf Englisch, Italienisch, Französisch und Tamil.

Sessel aus dem Reisezug laden zum Lesen ein

Zwischen den Gestellen ist viel Raum. Da haben sogar vier rot-schwarze Bahnsessel Platz. Es müssen ältere Modelle sein, wohl aus der ersten Klasse. Darin sitzt es sich so herrlich bequem. Da muss Reisefieber aufkommen!