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Zwei Quartierbuchhandlungen in Basel

Lesehunger stillen

Michael Guggenheimer

Olymp und Hades Aussenansicht

Allein schon der Name ist besonders. „Olymp & Hades“. Und das am Neuweilerplatz in Basel. Eine Buchhandlung inmitten eines gut bürgerlichen Wohnquartiers. Welch’ ein Gegensatzpaar im Namen einer Buchhandlung. Ein Hinweis darauf, dass man sich hier Bücher anschaffen kann, in denen es himmlisch zu und her geht oder abwechslungsweise auch tief traurig? Alles ganz anders! Lange Jahre befand sich Buchhandlung an der Gerbergasse im Stadtzentrum. Und dort auf drei Stockwerke verteilt. Da musste Buchhändlerin Yvonne Peyer vom Keller bis zum ersten Stockwerk hinauf, von oben bis unten und wieder zurück, eben vom Olymp in den Hades und umgekehrt. So jedenfalls sei der Name entstanden. Und als eines Tages klar war, dass es ohne Aufzug nicht immer weiter so gehen könne, als auch absehbar war, dass man als Buchhändlerin nicht ewig lang mit Bücherkisten treppauf und treppab gehen mag, da entstand vor etwas mehr als fünf Jahren die Idee, es noch einmal zu versuchen und anderswo Bücher an die Leserin und an den Leser zu bringen. Und diesmal auf engerem Raum und ohne das mühsame Treppauf und Treppab. Die Zuger Buchhändlerin Susanne Giger hat es ähnlich gemacht wie Yvonne Peyer: Giger hatte nach der Schliessung ihrer Buchhandlung an der Schmidgase in Zug erlebt, dass es sie doch wieder zu den Büchern zieht. Aber so gross wie früher musste es nicht wieder sein, worauf sie auf viel kleinerer Fläche an der Sankt-Oswalds-Gasse in Zug zum zweiten Mal eine Buchhandlung gründete. Ebenso mit Erfolg wie Yvonne Peyer!

Der Eintrag auf der Eingangsseite der Buchhandlung im Internet lautet: „Die internationale Quartierbuchhandlung“. Und er ist nicht zu hoch gegriffen. Denn erstens, zeige einer eine Quartierbuchhandlung irgendwo in der Schweiz, die mehr Bücher in französischer Sprache aufweist. An englischsprachigen Büchern mangelt es am Neuweilerplatz ebenso wenig. Kommt hinzu, dass nicht wenige langjährige Stammkunden von früher mitgezogen sind. Sie steigen am Basler Marktplatz oder sogar in Kleinbasel in die Strassenbahn der Linie 8 und steigen praktisch vor der Ladentüre aus, weil sie die präsentierte Bücherauswahl gut finden oder weil sie das Gespräch mit Buchhändlerin Yvonne Peyer mögen.

Winziger Verkaufsraum Olymp und Hades

Es versteht sich von selbst, dass eine Buchhandlung in einem Quartier, in dem Familien mit Kindern leben, in dem die Geschäfte der Innenstadt fehlen, manchmal auf ein anderes Einkaufsverhalten ihrer Kunden treffen. Buchhändlerin Yvonne Peyer hat sich da ganz angepasst, ohne den Charakter ihres Ladens als Buchladen zu verraten. Wer Papeteriewaren wie Kugelschreiber, Stempelkissen, Tintenpatronen, Radiergummis, Büroklammern oder Geschenkpapier benötigt, der muss nicht in die Innenstadt fahren, der ist hier ebenso willkommen wie jemand, der Bücher sucht. Hinter der Ladentheke steht eine Art Container voll mit all dem, was man in einer Papeterie suchen könnte. Und wer ein Geschenk für ein Kind oder für eine erwachsene Person sucht, der findet hier eine Menge Objekte. Brettspiele, Papierservietten, Ansichts- und Geburtstagskarten, Buchzeichen, kleine Behälter aus Holz und Metall sowie textile Geschenkbänder in zahlreichen Farben sind hier zu haben. Und auch wenn nicht wenige Nonbooks angeboten werden, wir befinden uns eindeutig in einer Buchhandlung. Man schaut sich um und klar ist: Hier steht das Buch im Vordergrund!

Über einen breiten Büchertisch inmitten der Buchhandlung leuchtet ein Kranz von vielen kleinen elektrischen Birnen. Man geht um den Tisch mit seinen Novitäten herum und stellt fest, dass drei Wände der Buchhandlung von unten bis oben voll mit Büchern sind. Kinderbücher, Bücher für Jugendliche, Belletristik, Klassiker von Fontane bis Zweig, Krimis, eine schöne Auswahl an Hörbüchern, Bücher zu aktuellen Gesellschaftsfragen, denen man anmerkt, dass hier durchaus gesellschaftskritisches Gedankengut von damals bei der Gründung der Vorgängerbuchhandlung an der Gerbergasse erhalten geblieben ist. Hier gibt es alles für den kleinen bis zum grossen Lesehunger.

Die Buchhandlung ist in Quadratmetern klein, Freunde meinen, es sei in dieser Hinsicht wohl die kleinste Buchhandlung in Basel. Noch hat allerdings niemand einen Vergleich mit kleinen Buchorten jenseits des Rheins im Stadtteil Kleinbasel gemacht. Die Kleinheit wird wettgemacht mit einem weiteren hinteren Raum, in dem sich das Büro befindet und wo die Lesezirkel der Buchhandlung stattfinden. Lesezirkel-Treff Nr. 21 gilt dem Buch „Unsere Seelen bei Nacht“ des Amerikaners Kent Haruf. Madlen Bitterlin und Yvonne Peyer übernehmen jeweils die Moderation von dem, was sie „o&h Lesezirkel“ nennen. Dass die Passion fürs Buch im Laden spürbar ist, ist auch jenem Gestell anzusehen, in dem Titel der Büchergilde Gutenberg stehen. Olymp & Hades ist jener Ort in Basel, in dem die Büchergilde ihre schönen Bücher anbietet. Eine Quartierbuchhandlung? Klar. Aber eindeutig auch international: Connie Palmen, Amos Oz, Mira Magèn, Robert Seethaler, Jurek Becker, Marina Lewycka, Monika Maron, Margret Atwood. Sogar Marcel Proust und James Joyce geben sich die Ehre. Und wer sich eher für die engere Heimat interessiert, findet hier „Bleibende Spuren. Biografien aus Basel Stadt und Land“, „Basler Trouvaillen. Ein Wegweiser zu sonderbaren Orten, geheimen Plätzen“ und eine Publikation über das Bachletten-Holbein-Quartier“ sowie den Titel „111 Orte in Basel, die man gesehen haben muss“.

Olymp & Hades Buchhandlung
Neubadstrasse 140
4054 Basel
T: 061 261 88 77
www.olympundhades.ch

 

Vielfalt zählt

Heinz Egger

Nein, das geht nicht. Das Bachletten-Quartier ohne Buchhandlung können sich die Zwillingsschwestern Manuela und Claudia Probst nicht vorstellen. So werden zwei Quereinsteigerinnen zu Buchhändlerinnen. Und bald besteht die Buchhandlung seit 25 Jahren. Gegründet wurde sie durch Ursula Jenny Wernle und nach ihrem Tod weitergeführt von ihrem Mann Matthyas Jenny. Jenny war ein kultureller Innovator im Quartier und in Basel. So führte er das erste deutschsprachige Poesietelefon ein, gründete das internationale Poesiefestival und das internationale Literaturfestival Basel. Auch führte er den Verlag Nachtmaschine und war Autor verschiedener Bücher mit Gedichten, Short Stories und Romanen. Doch mit 70 Jahren wollte er sich zurückziehen. Das war 2015.

Und was treibt zwei Frauen an, ihren angestammten Beruf als Pflegefachfrauen aufzugeben und in ein ganz anderes Feld einzutreten? Es ist die Liebe zum Buch zuerst, dann aber auch der Wunsch, einen Laden im Quartier zu erhalten. Vielfalt zählt, denn es sind die Läden, die einem Quartier ein Gesicht geben. Es sind die Läden, in denen man sich trifft, in denen das Leben stattfindet. Und ja, sie waren beide auch immer Kundinnen der Buchhandlung, denn sie wohnen in der Nähe ihres neuen Tätigkeitsfeldes.

Der Einstieg war nicht ganz leicht. Sie sind froh, dass sie Matthyas Jenny ein Stück weit begleitet hat. Die Buchwelt ist enorm gross. Am Anfang halfen denn auch die Verlagsvertreter sehr. Heute, drei Jahre nach dem Start, wissen die beiden Buchhändlerinnen selbst, was die Kundschaft wünscht.

Bachletten: Belletristik und Kochbücher

Das Geschäft besteht nur aus einem Raum. Aber nach hinten ist eine Wohnung angebaut. Da gibt es eine Stube, die sehr gut für Veranstaltungen eingesetzt werden kann. Vielversprechend heisst der Raum „Kleines Literaturzimmer“. Regelmässig lesen hier Autorinnen und Autoren in einem sehr angenehmen Ambiente. Es lasen dort bereits der Krimiautor Raphael Zehnder, Daniel Zahno aus seinem New-York-Thriller, Brigitte Tobler, Leonor Gnos und Marc Wyss aus ihren Gedichtsammlungen, der Song-Poet Aernschd Born und der Erzähler Yves Rechsteiner.

„Hallo Sabine, dein Buch ist da!“. So begrüsst Manuela Probst eine gute Kundin. Die Türe geht regelmässig auf. Die meisten Besucherinnen und Besucher holen bestellte Bücher ab. Eine ältere Dame sucht Robert Seethalers „Das ganze Leben“. Die Buchhändlerin muss es suchen, denn sie hat es schon einer anderen Kundin gezeigt. – Es liegt nicht an der Ordnung, dass sie es tun muss. Der Laden hat sehr viele Bücher, aber sie können aus Platzgründen nicht alle gut präsentiert werden. Fast in jedem Gestell stehen vor den Rücken an Rücken eingereihten Büchern solche, die ihr Cover präsentieren. Die Büchergestelle bestehen aus hellen Holzpaneelen mit eingelassenen metallenen Lochschienen. Sie laufen allen Wänden nach. Sie sind von unten bis oben voll. Weisses Papier mit feiner Handschrift in Grossbuchstaben, aufgeklebt auf die Längsseite der Tablare, weist den Weg. Zwei grosse, blaue, weiss bedruckte Tafeln sagen, wo die Belletristik von A bis Z zu finden ist. Sie haben die Möblierung einfach übernommen und sonst wenig verändert, sagt Manuela Probst. Zwei Tische mit Schublädchen stehen längs im Raum. Dei Schublädchen sind leicht geöffnet. So eignen sie sich gut, Bücher zu präsentieren. Weitere Tische und Tischchen sind schwer mit Büchern beladen. Wenn immer möglich ist das Cover zu sehen.

Beim Eingang hängt links ein Plakat, das für zwei Filme wirbt: „The bookshop“ – die Geschichte einer jungen Frau, die in einem abgelegenen Küstenort sich den Traum einer Buchhandlung erfüllt, aber auf Widerstand stösst – und „Transit“ – der Film nach dem Buch von Anna Seghers. Selbstverständlich ist dieses Buch im Laden vorrätig und wird nach einem kurzen Gespräch über den Film einem Mann, der Bücher für die „Balkonlektüre“ sucht, verkauft.

Rechts nach dem Eingang stecken in einem Drehständer Kunstkarten. Besonders fallen jene von Christoph Niemann aus der Serie „Sunday Scetching“ auf. Gegenüber dem Eingang steht die Theke, davor ein Tisch mit Büchern. Auf der rechten Seite der Buchhandlung sind die Kinder- und Jugendbücher. Diese betreut Isabella Probst, die Tochter von Manuela Probst. Zur Linken findet sich die Belletristik, natürlich mit einem Schwerpunkt Schweizer Literatur.

Bachletten, Aussenansicht

Ein Blick zurück nach dem Verlassen der Buchhandlung: In den grossen, zum Eingang hin gerundeten Schaufenstern spiegelt sich die Fassade der Häuser der anderen Strassenseite. An der Bachlettenstrasse gibt es am Eingang Restaurants, einen Lebensmittelladen und eine Bäckerei. Der Coiffeur ist ebenso da wie eine Poststelle. Da gehört doch die Buchhandlung unbedingt dazu. So ist nicht nur fürs leibliche, sondern auch fürs geistige Wohl gesorgt.

Bachletten Buchhandlung
Bachlettenstrasse 7
4054 Basel
T: 061 281 81 33
www.bachletten.ch