Zeig’ dein Buch und fahr!
Michael Guggenheimer
Ausgerechnet Montag. Montag, 23. April ist Welttag des Buches. Ausgerechnet an Montagen sind nicht wenige Buchhandlungen in der Schweiz geschlossen. Schade! Und die Homepage des Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverbands (SBVV) informiert unter dem Eintrag „Welttag des Buches“: „Seit 2013 gibt es keine gesamtschweizerisch koordinierten Aktionen mehr.“ Nochmals schade. Man könnte ja just an dem Tag viel Lärm für das Buch machen.
Keine Idee, was man unternehmen könnte? Die Holländer zeigen, was man für das Buch auch noch unternehmen kann. Schon jetzt, ein Jahr vor dem Termin, kündigen sie an, dass vom 23. bis und mit 31. März 2019 „de boekenweek“, die Bücherwoche stattfinden wird. Die niederländische Bücherwoche steht Jahr für Jahr unter einem Motto. Dieses Jahr lautete das Thema „Natur“. Da wurden während einer ganzen Woche Bücher empfohlen und vorgestellt, in denen die Natur oder ihre Bedrohung durch den Menschen eine besondere Rolle spielt.
Die Holländer machen noch mehr als bloss ein Wochenmotto bekanntzumachen. Jahr für Jahr erhält eine Autorin oder ein Autor den Auftrag, ein Buch von etwa hundert Seiten zu schreiben, das dann jeder Kundin und jedem Kunden, die oder der ein Buch im Wert von mindestens 12.50 Euro kauft noch als Geschenk gegeben wird. Seit 1930 gibt es dieses Bücherwochengeschenk!. In diesem Jahr war es die flämische Autorin Griet op den Beek, die den Auftrag erhalten hat.
Im allerersten Jahr betrug die Auflage des Geschenkbuches 30 000 Exemplare. Im Jahr 2015 waren es unvorstellbare 723 000 Exemplare! Was damit erreicht wird? Zeitgenössische niederländische Literatur wird auf diese Weise gefördert. Leserinnen und Leser lernen so Schreibende kennen, von denen sie vielleicht noch nie zuvor etwas gelesen haben. Es gibt nicht wenige Lesende, die die Bücherwochengeschenke sogar sammeln, mittlerweile sogar eine ganze Bibliothek von Buchwochen-Büchern besitzen. Bekannte und weniger bekannte Autoren haben Bücher im Rahmen dieser Reihe ein Buch veröffentlicht. Unter ihnen Tommy Wieringa , Hella S. Hasse, Kees van Kooten, Harry Mulisch, Conny Palmen, Arnon Grunberg, Adriaan van Dis, A.F.Th. van der Heijden, Hugo Claus, Geert Mak und Herman Koch.
Organisiert wird die Bücherwoche vom Nederlandse Uitgeversbond, dem holländischen Verlegerverband. Das Ziel ist klar: Man bezweckt die Promotion des niederländischen Buches und hofft, dass das Medium Buch breiter verankert wird und dem Publikum zugänglicher gemacht wird. Letztendlich erhofft man sich natürlich höhere Verkaufszahlen.
Nicht genug damit: Ein zweiter Auftrag wird ebenfalls vergeben: Das Buchwochenessay! Kostenpunkt während der Woche: Bescheidene 3.50 Euro! Klar, dass die beiden ausgewählten Jahresautoren, der Romanautor und der Essayautor, deren Bücher zu Ehren der Buchwoche erschienen sind, eine Lesetournee durch Holland unternehmen. Zur Eröffnung der Bücherwoche findet jeweils im Stadsschouwburg Amsterdam ein Bücherball statt. Der jeweilige Autor des Geschenkbuchs ist Hauptgast des Bücherballs. Und dann noch: Am Sonntag der Bücherwoche gilt das Boekenweekgeschenk als Netzkarte für das niederländische Bahnnetz. „Zeig’ dein Buch und du fährst gratis mit der Bahn!“ Das ist möglich, weil die Niederländische Bahn (NS) Sponsor des Bücherwochengeschenks ist. Die Niederländische Bahn tut aber noch mehr für das Buch. „NS Publieksprijs“ heisst eine Aktion der Bahn: Es ist der Preis für das beste Buch des Jahres, gewählt nicht durch eine Fachjury, sondern durch das lesende Publikum. Das Buch mit den meisten Stimmen wird zum „Boek van het jaar“, zum „Buch des Jahres“ gewählt Folgende Bedingungen muss dieses Buch erfüllen: Es muss in Holländisch und für ein erwachsenes Lesepublikum geschrieben worden sein. Die Autorin oder der Autor, der die meisten Stimmen erhält, bekommt € 7500.- und kann ein ganzes Jahr lang gratis in der ersten Klasse der Bahn unterwegs sein. Herman Koch, A.Th. van der Heijden, Geert Mak, Hella S. Hasse gehören zu den Gewinnern!
Viel Lärm für das Buch. Das könnte der Schweiz nicht schaden. Schliesslich ist hier fast das ganze Land mit der Bahn unterwegs.
Eigene Bücher
Heinz Egger
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie ein Buch in die Hand nehmen? – Mir läuft regelmässig ein zarter Schauer über den Rücken. Ich richte mich innerlich auf und spüre die Freude auf die Lektüre. Dann spüre ich das Buch in den Händen. Buchrücken, Buchdeckel, Buchblock, Schnitt, Vorsatz, Schmutztitel, Colophon (oder Impressum), Satzspiegel, Laufrichtung und andere Begriffe aus der Welt des Buchbindens waren mir lange nicht bekannt.
Mich über solche Ausdrücke einem Buch zu nähern, war für mich ein längerer Prozess. Angestossen hat ihn mein Bruder, der in seinem Zweitberuf Buchbinder geworden ist. Bei meinen Besuchen habe ich ihm bei seinen Arbeiten zugeschaut und ja, ich habe mich auch selbst im Buchbinden geübt.
Mein erstes Buchprojekt war ein kleines und relativ einfaches. 2003 erstellten wir zusammen ein schlankes Werklein mit japanischer Bindung (=> Wikipedia) . Wir setzten uns hin, druckten, schnitten, falteten, lochten und nähten die Blätter zusammen. Da lernte ich den Umgang mit dem Falzbein, der Lochschablone, Kleister und Japanpapier, das wir auf ein stabiles, dunkles Papier aufzogen. Voller Stolz nahm ich sieben Exemplare heim. Eines kam in die Sammlung meines Bruders.
Mein Interesse war geweckt. Deshalb schenkte mein Bruder mir zum Geburtstag ein Buchprojekt. Sein Geschenk „Mein nächstes Buch“ bestand in einem kleinen Buch, das alle Schritte zur Herstellung eines Buches enthielt. Einerseits gibt es darin eine Abteilung mit Formularen, die vorgängig auszufüllen sind. Da werden Fragen nach der Schrift, dem Satzspiegel (=> Wikipedia), der Platzierung von Bildern, dem Druck, Papier, der Bindung, und der Art des Einbandes gestellt. Andererseits zeigt ein Flussdiagramm Schritt für Schritt, wie das Buch entsteht. Darin kommt zuerst die Frage nach dem Inhalt.
Einen buchwürdigen Inhalt zu erzeugen dauerte bis 2009. Damals malte ich ein Bild aus 24 Einzelteilen von 30 mal 30 Zentimetern. Dieses Projekt nannte ich „Volcano 24“ und wollte es in einem Buch dokumentieren. 2011 lernte ich bei diesem Buch weitere buchbinderische Tätigkeiten: Zusammennähen von Lagen für den Buchblock, Bezug des Bucheinbandes mit Leinen und Prägen von Titel und Autor mit Termofolien. Ich kehrte mit vier Büchern heim.
Beim Musizieren sammelte ich eine Menge von schönen Melodien. Ich habe sie mit einem Notensatzprogramm aufgearbeitet und daraus bei meinem Bruder mein erstes Spielbuch gebunden. Wir gingen weitgehend wie bei „Volcano 24“ vor. Nur der Einband ist entscheidend anders. Dank Quarter-Joint-Bindung (=> englisch) lässt sich das Buch bei jeder Seite so öffnen, dass es flach liegt.
Die Texte von buchort.ch sind nur online verfügbar. Ich fragte mich, wie man sie in Buchform bringen könnte, aber so, dass die Texte wie auf dem Netz „parallel“ gelesen werden können. – Es braucht zwei Bücher, die in einem Einband zusammengefasst werden. Das linke Buch öffnet sich von rechts nach links, das rechte allerdings von links nach rechts, und liest sich quasi von hinten nach vorne. Das war eine kleine Herausforderung für den Satz. Aber auch das schaffte mein Bruder. Beim Buchblock gingen wir gleich vor wie in den vorausgehenden Büchern. Knifflig war die Herstellung eines Einbands mit Leinen- und Papierteilen. Diese schönen Bücher erhielten auch ein Lesebändchen. Auch von diesem Buch entstanden vier Doppelbücher. Immer erstellten wir ein Exemplar mehr, als am Ende der Herstellung vorhanden sein mussten. Ich hatte immer Glück, keines landete bis jetzt als Ausschuss in der Tonne!
Sie wollen selber erste Schritte unternehmen, um zum eigenen Buch zu kommen? Da gibt es eine Menge Anregungen in Büchern, beispielsweise „Unikat“ von Marlis Maehrle, erschienen bei Haupt, Bern. Aber auch das Internet bietet viele Ideen.