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eXtrabuch, Münster (D)

Design total

Michael Guggenheimer

Schaufenster der Buchhandlung Bitzhenner - eXtrabuch

Weil sie mit den Büchern zu Design und Typografie häufig zu Vorträgen und Präsentationen in Deutschland unterwegs ist, haben wir Karin Schmidt-Friderichs vom Hermann Schmidt Verlag nach Namen von Buchhandlungen gefragt, die wir aufsuchen sollten. Und weil wir schon so viel von der Universitäts- und Fahrradstadt Münster gehört hatten, sollte es Münster Westfalen sein. Die Buchhandlung Extrabuch sollen wir besuchen, lautete die Empfehlung. Ich sehe mich, wie ich die Spiekerhof genannte Gasse rauf- und runtergehe und die empfohlene Buchhandlung nicht finde. Lag es daran, dass die Buchhandlung bloss ein Schaufenster hat? Nein, es lag daran, dass ich nach dem Namen eXtrabuch Ausschau hielt und das Schaufenster gross die Aufschrift Bitzhenner trägt. Kann auch sein, dass die schönen Auslagen der eleganten Läden dieser Strasse meine Aufmerksamkeit zu sehr beanspruchten. Im Schreibwarenladen nebenan lagen elegante Füllfederhalter der Edelmarke Aurora, die ich mir anschauen musste, weil ich weiss, dass Autorin und Designerin Judith Schalansky mit einer Aurora schreibt.

Beim dritten Mal dann die «Fachbuchhandlung für Architektur, Design, Kunst, Photographie, Populäre Kultur» gefunden. Gefunden und lange dort geblieben. eXtrabuch ist ein Ort zum Verweilen und zum Staunen. Der Laden ein langer Schlauch, zu beiden Seiten dieses Schlauchs dicht beladene Büchergestelle, in der Mitte ein langes Band von Korpussen voll beladen mit Büchern. Zwei Bücherpfaden gleichen die Gänge zwischen Ladeneingang am Spiekerhof und dem kleinen Balkon an der Münsterschen Aa, dem Bach, der sich am Rande der Altstadt befindet. Vorne gleich beim Eingang die Ladentheke. Wenn man Glück hat, begegnet man dort Besitzer Friedrich Bitzhenner an der Arbeit. Dass er hier nicht an allen Tagen anzutreffen ist, hat mit seinen zwei weiteren Buchläden zu tun, doch dazu später. Christoph Thiele, der den Besitzer vertritt, ist nicht weniger kompetent. Fragt man Thiele, ob die Buchhandlung auch Bücher zur Schweizer Architektur im Angebot habe, dann zählt er die Namen Schweizer Architekten auf, auch von solchen, die in Deutschland weniger bekannt sind: Vacchini, Gigon und Guyer, Olgiati, Snozzi, Märkli. Dass ihm die Namen der Grossen wie Herzog & De Meuron, Zumthor, Botta vertraut sind, versteht sich von selbst. Und ob er Schweizer Verlage kenne? Kein Problem: Parkbooks, Birkhäuser, gta, Triest, Scheidegger und Spiess. Und früher auch noch Niggli. «Und wenn Sie unsere Buchhandlung verlassen und nach links gehen, sehen Sie gleich hier in Münster das Werk eines Schweizer Architekten», fügt er an und meint den Neubau der theologischen Spezialbibliothek Münster, die der Schweizer Max Dudler entworfen hat.

Kundinnen vor dem Gestell mit Büchern zu Design

Die Buchhandlung eXtrabuch ist ein Eldorado für Freunde des Designs. In den zweieinhalb Stunden unseres Stöberaufenthaltes schaut ein Architekt aus Hamburg hinein, der vor zwei Jahren drei Exemplare seines im Selbstverlag erschienen Buches in Kommission gegeben hat. Er will wissen, wie viele Exemplare in der Zwischenzeit abgesetzt werden konnten. Zwei Exemplare sind noch da. Und dann betritt ein Holländer aus Enschede den Laden, ein regelmässiger Besucher, der zum Kreis jener Kunden gehört, die aus Holland, Köln und Düsseldorf nach Münster kommen, um sich bei eXtrabuch umzuschauen, weil sie wissen, dass weit und breit keine andere Buchhandlung so reich dotiert ist an Büchern aus dem Bereich Design. Über die Homepage treffen Tag für Tag Buchbestellungen ein, der Versand von Büchern bis hin nach Japan und den USA gehört zum Alltag von Buchhändler Thiele, der seit zwanzig Jahren mit dabei ist. Studierende der Fachhochschule für Design und Architektur in Münster gehören ebenso zu den Kunden der Buchhandlung. «Immer wieder schauen auch Eltern von Studierenden bei uns vorbei, die von auswärts kommen, um sich umzuschauen, wo ihre Kinder studieren», sagt Buchhändler Thiele.

Grosse silbrige Metalltafeln oberhalb der Büchergestelle weisen auf die Sachgebiete der Buchhandlung hin. Ganz hinten beim Balkon über der Münsterschen Aa, wo man auf einen Garten und auf Bäume blickt, befinden sich die Bücher zu den Themen Landschaftsgärten, Landschaft konstruieren, Vorgärten, Landschaftsarchitektur, Grünes Wohnen. Im Bereich Kunst fällt die alphabetische Ordnung nach Künstlernamen auf. Und auch wenn einige Künstler aus vergangenen Jahrhunderten vertreten sind, ist die Mehrzahl der Namen sind der Moderne des 20. Und 21. Jahrhundert verpflichtet. Die Menge der Kunstbücher könnte es locker mit dem Bestand eines Hochschulseminars aufnehmen. Vor einiger Zeit ist man bei eXtrabuch vermehrt zur Frontalpräsentation übergegangen: Ein sich von vorne bis hinten ziehendes Band von drei Tablaren, auf denen die Bücher mit ihrer Schauseite die Kunden anschauen, durchzieht die Buchhandlung. Darüber und darunter stehen die Bücher eng angeordnet. Man erinnert sich an zwei vergleichbare Buchhandlungen in Zürich, an Never stop reading und an Hochparterre. eXtrabuch schert aus mit einer Ordnung, die kreativ statt kompakt ist, zeigt und nicht versteckt. Wie reich die Auswahl ist, wird zum Beispiel bei den Fotobüchern sichtbar: Einzelne Fotografen, einzelne Fotorichtungen wie Street Photography, Fototheorie, Minimalitische Fotografie, Location Fotografie, Architekturfotografie, Modefotografie. Weitere Beispiele für die Schätze dieses langen Schlauchs gefällig? Buchkunst, Designtheorie, Signaletik, Urban Sketching, Möbel, Stühle, Bänke, Lampen, Bars, Fahrraddesign. Anstelle einer detaillierten Beschreibung der Büchersparten der Buchhandlung eXtrabuch kommt der Hinweis auf die hervorragende Homepage, die eine Fundgrube ist für jeden, der sich für Design und verwandte Gebiete interessiert.

Ein Hinweis gehört sich aber noch auf eine Filiale von eXtrabuch. MEDIUM Buchmarkt heisst jener grosser Laden an der benachbarten Rosenstrasse 5. Hier kann man Friedrich Bitzhenner ebenfalls antreffen. Viel Belletristik und nochmals viele Buchangebote im Bereich Design führt dieses Neuantiquariat, das im hinteren Ladenteil eine Spezialabteilung führt, für die sich die Anreise von weither für Freunde des Pops lohnt: Seit Anfang der 90er Jahre werden hier Musikbücher von Abba bis Zappa angeboten. Rund 5.000 Bücher aus allen Musikbereichen des Pops gibt es im Laden, damit ist MEDIUM einer der größten Anbieter im Bereich der Musikbücher, wie es im Laden heisst. Kunden aus der ganzen Welt belegen dies. Insbesondere über den Onlineshop www.yeahbooks.com werden Musikfans mit Büchern zu Bands und Musikbusiness versorgt. Auch das Rock- und Popmuseum in Gronau, so die Auskunft im Laden, nutzte das Know-how von MEDIUM und werde von den Mitarbeitern mit aktuellen Büchern versorgt.

eXtrabuch
Spiekerhof 23
48143 Münster
T: +49 251 6865396
www.extrabuch.com

#LustaufKunst

Heinz Egger

#LustaufKunst – natürlich gibt es diesen Hash-Tag (auch). Bei Extrabuch prangt er auf gelbem Grund gleich neben dem Eingang und lädt ein, in die Buchhandlung einzutreten. Der Laden hat ein Schaufenster. Darauf prangen in weisser Schrift und bei Sonne und Spiegelungen kaum lesbar zwischen dem Namen des Inhabers und der Buchhandlung die Angebotsschwerpunkte. Der Eingang liegt seitlich in einem kleinen Gang, der zu einer Haustüre führt. Der Raum ist vielleicht vier Meter breit, sehr hoch, hell von der Decke mit Strahlern erleuchtet und führt, niedriger und schlanker werdend durch das ganze Haus. Ganz hinten fällt Tageslicht herein. Dort ist fast ein kleiner Wintergarten: Fenster, Grün und Blick auf die Münstersche Aa.

Dorthin zieht es mich zuerst. Ich muss erst ankommen in dieser Welt von Büchern über alle Facetten von Kunst. Auf einem Stuhl sitzend fühle ich mich fast wie im Garten. Die Sonne leuchtet durch die Fenster und lässt die Fotos auf den vielen Buchcovern strahlend leuchten und sie wärmt mir herrlich den Rücken. Die Gestelle sind weiss und hellen den kleinen Ort zusätzlich auf. Das Thema hier heisst Garten. Während ich mich in dem kleinen Reich umsehe und mir die Themen, wie sie auf dem Schaufenster prangen nochmals in Erinnerung rufe, sehe ich, dass die Bücher in unmittelbarer Nähe sich unter diesem Thema eigentlich allen Teilbereichen der Buchhandlung widmen: von der konstruierten, designten Landschaft über den gestalteten Garten zum architektonisch ausgefeilten Garten- oder Baumhaus bis zur Landschaftsfotografie. Schon in diesem kleinen Teil tauchen neben den deutschen viele englische Titel auf.

Die Buchhandlung richte sich an ein internationales Publikum, wie Christoph Thiele, der an diesem Nachmittag die Kasse hütet, erläutert. Eine Spezialität der Buchhandlung ist, Bücher anzubieten, die nicht überall erhältlich sind. Aus diesem Grund liegen nicht nur die allerneuesten Bücher auf.

Kunst-Wand und Korpusse, Blick zum Schaufenster

Von meinem Beobachtungsposten aus betrachte ich die Büchergestelle ausserhalb meines „Gartens”. Sie sind sieben Tablare hoch. Massive Schichtplatten tragen die Bücher, eine vertikale Eisenkonstruktion überträgt die hohe Last auf den Holzboden. Hoch über den Büchern weisen graue Schilder mit schwarzer Schrift den Weg zum entsprechenden Thema, auf den Regalbrettern geben weisse Etiketten Auskunft über die Subthemen. Zwischen den beiden Gestellfluchten stehen schwer beladene Korpusse.

Vom „Garten” ergibt sich ein bewegtes, farbiges und anziehendes Bild, denn sehr viele Bücher zeigen Cover. Und weil die meisten dieser Bücher nicht bloss Text enthalten, sondern den beschriebenen Inhalt auch bildlich darstellen, sind viele der Bücher gross und ansehnlich dick.

Anschliessend an meinen Startplatz läuft auf der ganzen Länge des Raums bis zur Kasse das Gestell „Kunst”. Ein schönes Buch „Unendliche Landschaften” des norwegischen Malers Harald Sohlberg holt mich quasi von meinem „Garten” ab. Schnell lande ich im Hier und Jetzt. Denn gleich neben Sohlbergs Buch steht eines, das mir 100 Meisterwerke westfälischer Kunst nahebringen möchte. Selbstverständlich tauchen an der langen Front auch grossformatige Bücher über Künstler wie Chagall, Picasso, Giacometti, Otto Dix, Jacques Lipchitz oder Ai Weiwei auf. Daneben gibt es ebenso viele Werke, die Kunst vermitteln oder Übersichten geben. Bücher aus der „Kleinen Reihe – Kunst” aus dem Taschen-Verlag steht auf einem der Korpusse im Raum. Und wo Kunst aufliegt, darf natürlich der grosse Fälscher Beltracchi, der mit zwei Bänden vertreten ist, nicht fehlen.

Am Ende des Kunstgestells und um die Ecke stehen die Bände zur „Photographie”. Das Schild über den Gestellen hat noch ph, die Tablaranschriften „Fototechnik, Fototheorie und Fotografen” allerdings nicht mehr. Sofort stechen mir zwei Bücher ins Auge: die Kühltürme, aufgenommen von Bernd und Hila Becher, sowie die Farbfotografien von Vivian Meier.

Die Architektur- und Designwand

Vis-à-vis der Kasse befindet sich die Abteilung „Architektur”. Zahlreiche Architektur-Zeitschriften liegen auf. Christoph Thiele legt uns eine vor, die über Schweizer Architekten berichtet. Die Zeitschrift erscheint in Japan! Wie wohl aus japanischer Sicht die Arbeiten jüngerer Schweizer Architekten gewürdigt werden? Mir fällt auf, dass die Zeitschriften recht hohe Preise haben. Diese kosten locker bis 40 Euro, für die spanische Zeitschrift El Croquis können es auch über 70 sein.

Das Themenfeld der Architektur reicht vom Bau von Hotels, Schulhäusern, Büro- und Wohnhäusern bis zu „Tiny Houses”. Dazu gehören auch Themen wie Materialien, aber auch gesetzliche Grundlagen und Denkmalschutz. Dazu liegen natürlich Werke zu Deutschland und besonders Westfalen auf.

Ich stosse auf Max Dudler „Räume erzählen”. Max Dudler, der in der Schweiz geboren ist, hat in Münster die Diözesanbibliothek gebaut. In „Räume erzählen” stellt er seine Möbelentwürfe dar. Damit ist er nicht nur Architekt, sondern Designer.

Auch Design-Interessierte finden eine breite Auswahl an Büchern, die Design nicht nur als fertiges Objekt zeigen, sondern auch Literatur zur Theorie, der Psychologie der Kreativität oder zum Selbstständig Arbeiten. Typografie, Sketching, Illustration, Signaletik und Streetart sind weitere Bereiche unter Design.

Da auch diese Buchhandlung Kunden anziehen muss, stellt sie im Schaufenster und in den Regalen einige Titel aus, die vielleicht an den Grenzen des sonstigen Sortiments stehen, aber Passantinnen und Passanten ansprechen. Hierzu gehören sicher die Hefte „Roter Faden – Taschenbegleiter”. Es sind Kalender, beispielsweise für den Lehrer, Geburtstagskalender und Adressbücher. Sicher auch jene über die Geschichte des Reisens, Benimmregeln für unterwegs oder übers Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort.

Auch DVDs sind im Angebot, beispielsweise „Der Lauf der Dinge” von Fischli / Weiss.

Zum Schluss setze ich mich wieder auf meinen „Gartenstuhl” und halte Rückschau und erinnere mich an den Hash-Tag: LustaufKunst. Wer solche verspürt, der ist im Extrabuch an der richtigen Adresse. Allerdings sollte man nur eintreten, wenn auch genügend Zeit zum Stöbern, Blättern und Staunen vorhanden ist.