Bücher Dillier, Sarnen

Hervorragend vernetzt

Michael Guggenheimer

Im einem der Schaufenster ein Buchständer aus Holz. Darauf in einem Bilderrahmen hinter Glas ein Artikel aus der Lokalzeitung mit einer Fotografie des Teams. An der Eingangstür die Kopie einer Urkunde, neben der Kassentheke eine weitere Kopie derselben Urkunde, die besagt, dass die Buchhandlung Dillier in Sarnen die „Buchhandlung des Jahres 2016“ sei. Vom Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV) nominiert, vom Publikum im Internet gewählt. Alban Dillier, Leiter der Buchhandlung, erzählt, es seien nach der Wahl Besucher von auswärts gekommen, um sich die Buchhandlung anzuschauen. Was aber ist das Besondere an der Buchhandlung, die im Wettbewerb mit der Buchhandlung Klappentext in Weinfelden und mit der Buchhandlung am Hottingerplatz in Zürich um den Titel „Buchhandlung des Jahres“ gestanden ist?

Blick in die Buchhandlung

Nur zwei Buchhandlungen gibt es im Kanton Obwalden. Eine, die Buchhandlung Alex Höchli in Engelberg, die auch eine Papeterie und Devotionalienhandlung ist. Und dann noch „Bücher Dillier“ in Sarnen. Ein markantes Haus unweit vom Bahnhof und im Ortskern gelegen. Das Unternehmen einer in der Region hervorragend vernetzten Familie, die im kulturellen Leben des Kantons seit langem eine wichtige Rolle spielt. Geri Dillier, Vater von Buchhändler Alban Dillier, war lange Jahre beim Radio ein bekannter Redaktor und Hörspiel-Regisseur. Und dann gab es noch seinen Bruder, den Mundartautor und Lyriker Julian Dillier, früher Präsident der Gesellschaft für schweizerisches Volkstheater oder des Innerschweizer Schriftstellerverbandes, aber auch des Internationalen Dialektinstituts in Wien.

Geri Dillier ist Mitbegründer der IG Buch Obwalden, die mit ihren 140 Mitgliedern Lesungen in der Buchhandlung organisiert und finanziert. Dank der IG Buch wurde der Obwaldner Literaturkalender noch bunter und abwechslungsreicher. Im Jahr 2009 kauften Geri Dillier und seine Frau Marta die 1929 gegründete und von der Schliessung bedrohte Buchhandlung Pfammatter. Dass die Buchhandlung Pfammatter vor ihrem Ende stand, wussten sie von ihrem Sohn Alban, der in Luzern die Ausbildung zum Buchhändler absolviert hatte und seit zwei Jahren bei Pfammatter angestellt war. Seit dem Herbst 2008 wird die Buchhandlung unter dem Namen ‚Bücher Dillier’ als GmbH weitergeführt.

„Unsere Buchhandlung verstehen wir auch als Ort der Begegnung, des Austauschs, der Entdeckungen“, sagt Buchhändler Alban Dillier. Binnen weniger Jahre hat es das Familienunternehmen denn auch geschafft, die Buchhandlung zu einem kulturellen Treffpunkt der Region zu machen; auch dank dem Renommee des pensionierten Radio-Redaktors Geri und dessen Gründung der eng mit der Buchhandlung verknüpften «IG Buch Obwalden». Davon zeugt eine Vielzahl von Veranstaltungen, darunter viele gut besuchte Lesungen mit zur Hauptsache Autorinnen und Autoren aus der Deutschschweiz. In der Ausschreibung des Wettbewerbs zur Buchhandlung des Jahres schrieb der SBVV: „Alban Dillier hat sich in erstaunlich kurzer Zeit eine stupende Sicherheit in der Sortimentsgestaltung erarbeitet. Die Buchhandlung punktet ausserdem mit ihren einladenden Schaufenstern sowie dem ausgesprochen herzlichen Umgang mit den Kundinnen und Kunden.“

Wie sehr die Buchhandlung in Sarnen von der Familie Dillier getragen wird, wird einem deutlich, wenn man erlebt, dass der Vater von Buchhändler Alban ebenso tageweise mithilft wie dessen Schwester und Schwägerin. Letztere hatte zuerst im Handel und anschliessend in der Sozialarbeit gearbeitet, und besucht heute neben der Arbeit in der Buchhandlung die verkürzte Ausbildung zur Buchhändlerin in Bern. Dass Albans Bruder Jul, ein Jazzmusiker in Basel, vor kurzem mit Wortkünstler Pino Dietiker in der Buchhandlung aufgetreten ist, zeugt ebenso vom Engagement der Familie für die Buchhandlung wie die Typografie an den Schaufenstern, die ein Cousin aus Basel entworfen hat. Die Buchhandlung ist mehr als ein Ort, an dem man Bücher anschauen, aussuchen und kaufen kann. Sie ist auch eine Art Kultur-Litfasssäule der Kantone Obwalden und Nidwalden. Prospekte von Ausstellungen, Konzerten, Lesungen und Theateraufführungen liegen an der Kassentheke und sind an einer Wand angeschlagen. Hier wird für das Literaturhaus Zentralschweiz in Stans ebenso geworben wie für die Sofalesungen, welche vom Migros Kulturprozent an diversen Orten der Schweiz ermöglicht werden.

Und die Spezialitäten der Buchhandlung? Natürlich Literatur aus der Innerschweiz und über sie sowie Bücher zu Obwalden. Zahlreich die Wanderkarten für die Innerschweiz bis hin zum Berner Oberland. Und dann natürlich ein breites Angebot an Belletristik und Sachbüchern, an Hör CD und DVD sowie an Reiseführern. Ein Regal mit englischsprachigen Büchern ist ebenso da wie eine reiche Auswahl an Krimis. Im hinteren Teil der Buchhandlung die Kinder- und Jugendbücher.

Claudia Dillier berät einen Kunden

Wie sehr das Fenster zur Welt hier offen ist, davon zeugt ein grossartiger, eben erst erschienener Architekturführer Iran. Ein Kunde, der eine weite Autofahrt quer durch die USA plant, beugt sich lange an einem runden Tisch über zwei Strassen-Atlanten der USA, kann sich nicht entscheiden, worauf ihm Claudia Dillier beim Vergleich der Massstäbe der beiden Atlanten und bei der Suche nach einer Route hilft, als sei sie eine Mitarbeiterin eines Reisebüros.

Dass es der Buchhandlung in einer zeit, in der manche Buchhändler über den Geschäftsverlauf stöhnen, gut geht, hat gewiss auch mit der Unterstützung zu tun, die „Bücher Dillier“ im Kanton erfährt: Die Lehrer der Kantonsschule bestellen hier , ihre Klassensätze aus der Überzeugung heraus, dass es eine Buchhandlung am Ort braucht. Nicht anders ein Industrieunternehmen, das seine technischen Bücher hier ordert. Überhaupt fällt auf, wie rege die Buchhandlung besucht wird, wie gut Alban Dillier und seine Tante Doris Mennel die Kunden und ihre Lesegewohnheiten kennen und hier vernetzt sind. „In unseren Schaufenstern geben wir auch Einblick in Veranstaltungen im Kanton“, sagt sie und ist daran Bücher zum Thema Demenz im Alter im Schausfenster zu präsentieren. Nach einer gut besuchten Veranstaltung mit von Fachärztin Irene Bopp-Kistler von der Klinik für Akutgeriatrie am Zürcher Stadtspital Waid will sie den Besuchern der Veranstaltung noch die Möglichkeit geben nachträglich Bücher zum Thema zu erwerben.

Bücher Dillier
Poststrasse 8
6060 Sarnen
T: 041 660 11 88
www.buecherdillier.ch/

 

Ausgezeichnet

Heinz Egger

Blickt man über den Dorfplatz, so könnte man sich einen friedlicheren Ort kaum vorstellen. Behäbige Häuser, oft künstlerisch bemalt, stehen seit Urzeiten da. Und doch beschleicht mich ein Unbehagen. Der Schandpfahl, eine steinerne Säule, an der immer noch die schmiedeiserne Halsschelle an einer Kette baumelt, erinnern an andere Zeiten. Allerdings sind schreckliche Taten auch im vergangenen Jahrhundert noch begangen und mit dem Tod geahndet worden. So wurde in Sarnen der dreifache Mörder Hans Vollenweider am 18. Oktober 1940 mit der Guillotine hingerichtet. Er war der letzte Schwerverbrecher, der durch ein Zivilgericht in der Schweiz zum Tode verurteilt wurde (Quelle: www.tagblatt.ch).

Der Strasse mit dem Namen Dorfplatz folgend und dann rechts in die Poststrasse einbiegend, stehen wir bald vor der Buchhandlung Dillier.

lesen und lesen lassen - Aufschrift auf den Schaufenstern

Ueber den vier breiten Schaufenstern des alten, breiten Hauses prangt grün das Wort Buchhandlung. Auf den Fenstern steht „lesen und lesen lassen“ – Ist das eine Anspielung auf „leben und leben lassen“ (siehe Textanfang) oder auf das Buch mit dem gleichen Titel von Nikolaus Heidelbach, Herausgeber und Illustrator, und Daniel Kampa, Herausgeber. Auf der Website des Verlags Hoffmann und Campe heisst es zum Buch: „Lesen und lesen lassen ist ein bibliophiles Lese- und Bilderbuch mit vielen Texten und Gedichten, phantasievoll illustriert mit über sechzig farbigen Bildern von einem der anerkanntesten und eigenwilligsten Illustratoren Deutschlands: Nikolaus Heidelbach. Hier liest auf einmal allerlei Getier, gibt es echte Büchermenschen mit bibliophilen Nasen und Augenbrauen, verwandeln sich Bücher in kuriose Gegenstände, werden Bücher zu Kunstwerken.Ein Buch für alle, die ohne Bücher nicht leben können.“

Das ist ein guter Leitsatz für eine Buchhandlung: da sein für all die Leute, die Bücher lieben und ohne sie nicht leben können. Und das oben zitierte Buch ist auch vorrätig im Laden! Oder ist „lesen und lesen lassen“ Teil der Unternehmensphilosophie, Bücher zum Lesen und Ort für das Vorstellen und Vorlesen von Literatur zu sein? – Darauf liesse die weisse Wand gleich links nach der Eingangstür schliessen. Gross steht darauf Lesungen IG Buch. Der Verein Interessengemeinschaft Buch ist Träger der Leseveranstaltungen der Buchhandlung. Auf der Wand haben sich seit Bestehen der Gemeinschaft zahlreiche bekannte Autorinnen und Autoren mit schwarzem Filzstift verewigt. Zum Teil sogar mit kleinen Zeichnungen oder einer Widmung, einige sind auch mehrfach vermerkt: Lukas Hartmann, Peter Stamm, Gertrud Leutenegger, Eveline Hasler, Bänz Friedli, Pedro Lenz und viele weitere Unterschriften erkenne ich.

Die Buchhandlung belegt das ganze Erdgeschoss des Hauses. Schon vor Dillier war hier eine Buchhandlung, eine christliche. Von ihrem Mobliliar ist noch etwas vorhanden: Ueber der Tür und den Schaufenstern ist altes Holz sichtbar. Es sind kleine Kästchen mit nach oben öffnender Klappe. Das waren die Vorratsorte für Bücher. Sonst ist der Raum hell, die schwarzen Gestelle dominieren. Sie tragen alle mit Wandtafelstift von Hand geschriebene Titel, die den Bestand kategorisieren. Es ist alles übersichtlich angeordnet, man findet sich schnell zurecht.

Und die Bedienung ist sehr aufmerksam und gern zum Helfen bereit. Wer hereinkommt, wird freundlich begrüsst. Mit vielen Besucherinnen und Besuchern findet ein Gespräch statt, das über die Beratung oder den reinen Verkauf hinausgeht. Der Laden wirkt sehr lebendig.

Vor einem seitlichen Fenster steht ein Tisch mit Büchern. „Oma isst Zement“ heisst da ein Titel. Es ist ein Kinderbuch von Daniel Kratzke zum Thema Demenz. Es ist sehr gut gemacht und vermittelt Kindern die Zeichen von Demenz und das Verhalten von betroffenen Personen. Eine rührende Geschichte. Weitere Bücher zu diesem Thema liegen auf. Es seien die Reste eines Büchertisches, den die Buchhandlung an einer Veranstaltung über Demenz präsentiert habe, sagt Claudia Dillier. Der Vortrag wurde von der Alzheimervereinigung OW/NW und Pro Senectute OW organisiert.

Marionette eines Trommlers in der Kinderbuchabteilung

Im hinteren Teil des Hauses finden Kinder und Jugendliche reichlich Bilderbücher, Erstlesetexte und erste längere Geschichten bis hin zu Romanen. Die Abteilung nimmt einen bedeutenden Platz ein. Im Gestell Sprachen fallen nicht nur die Lernmaterialien für die gängigen Sprachen Französisch, Italienisch, Englisch und Spanisch auf. Da gibt es auch ein Lehrmittel mit Lernkarten fürs Chinesische. „Chineasy“ heisst das Werk. Ob es wirklich so „easy“ ist, Chinesisch zu lernen?

Auch eine Ecke für E-Reader gibt es. Claudia Dillier erklärt mir den neuen Reader, den der unabhängige Buchhandel empfiehlt. Sie ist eine spät berufene Buchhändlerin, denn sie steht noch in Ausbildung, auch wenn sie eine gepflegte graue Frisur trägt. Sie arbeitet erst seit drei Jahren in dieser Branche, aber sie weiss Bescheid über die Geräte, ihre Funktionen und den Bestellablauf für eine elektronisches Buch. Sie hat selber ein solches Gerät. Sie nutze es gern auf Reisen. Daheim aber ziehe sie das physische Buch vor, sagt sie. Die elektronischen Bücher verkaufen sich anscheinend nicht schlecht. Der Umsatz damit spiele aber doch eine untergeordnete Rolle.

Die Buchhandlung hat ihre eigenen Buchtipps. Sie finden sich in einem schmalen Gestell. Es gibt Raum für 18 Covers: Zuoberst steht Suzanne Collins Romantrilogie „Tribute von Panem“. Darunter von Carter Roys „Der Bund der Wächter, Band 1: Feuerzeichen“, Gerd Ruebenstrunks „Blutring“ und Julie Leuzes „Herzmuschelsommer“. Die meisten als Tipp präsentierten Autorinnen und Autoren sind englischsprachig.

Prominent der Eingangstüre gegenüber stehen die Bestseller, zusammengestellt von der Obwalnder und Luzerner Zeitung. An erster Stelle steht Donna Leon mit ihrem Krimi „Ewige Jugend“. Den Platz zwei nimmt „Vierundzwanzig Stunden“ von Guillaume Musso ein. Auf Platz drei ist Joël Dickers „ Die Geschichte der Baltimores“. Wo vorhanden steht beim Buch auch die Hörbuchausgabe. Das ist wohl die vierte Auslegung der Schaufensteraufschrift: lesen lassen …

Bei der Kassentheke hängt gerahmt und unübersehbar ein Diplom: Der Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband hat die Buchhandlung Dillier mit der Auszeichnung „Buchhandlung des Jahres 2016“ geehrt. – Die Buchhandlung ist ein angenehmer Ort, mit ausgezeichneter Bedienung und breitem Angebot. – Hier kommt jeder zu seinen literarischen Lieblingsinhalten – zum Lesen oder Lesen-Lassen.